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Umstritten: Die elektronische Fußfessel.

© dpa

München: Sexualstraftäter unter Rückfallverdacht - trotz Fußfessel

Trotz angelegter elektronischer Fußfessel hat ein vorbestrafter Sexualstraftäter vermutlich ein kleines Mädchen in München missbraucht - nun ist der Streit über dieses Überwachungssystem neu entbrannt.

Am Dienstagabend war durch einen Bericht des ARD-Magazins „Report München“ bekanntgeworden, dass vermutlich ein Sexualstraftäter trotz elektronischer Fußfessel in München ein siebenjähriges Mädchen missbraucht hatte. Der 40-Jährige hatte sich im April in der Wohnung einer Bekannten an deren Kind vergangen, bestätigte die Staatsanwaltschaft München am Mittwoch ihren Ermittlungsstand. Im Jahr 1999 war der Mann unter anderem wegen Missbrauchs seiner Stieftochter verurteilt worden. Im November 2011 wurde er aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden. Laut Staatsanwaltschaft sitzt der Mann nun wieder im Gefängnis.

Justizministerin Beate Merk (CSU) erklärte am Mittwoch, sie halte trotz des Vorfalls „selbstverständlich“ daran fest. Die Polizeigewerkschaften sehen sich dagegen in der Ablehnung der Fußfessel bestätigt. Merk sagte auf dapd-Anfrage, die Fußfessel garantiere keine absolute Sicherheit. „Sie ist ein Notbehelf in Fällen, in denen wir Menschen aus der Haft entlassen müssen, von denen nach wie vor eine Gefahr ausgeht - weil das Bundesverfassungsgericht sehr hohe Anforderungen an eine Sicherungsverwahrung stellt.“ Dennoch bringe die Fußfessel insgesamt zusätzliche Sicherheit und werde deshalb auch weiter eingesetzt, betonte die Ministerin. Die Polizei könne nachvollziehen, wo und zu welcher Uhrzeit der Betroffene war.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, nannte die Überwachung gefährlicher Straftäter mit einer Fußfessel „eine äußerst riskante Scheinlösung“. Sie könne allenfalls helfen, den Täter im Nachhinein zu überführen, aber sie biete dem Opfer keinerlei Schutz. Aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft ist elektronische Fußfessel ein „gefährlicher Menschenversuch“, der sofort gestoppt werden muss, wie der Landesvorsitzende Hermann Benker sagte. „Elektronische Fußfesseln eignen sich allenfalls für Kleinkriminelle.“

Das bayerische Kabinett hatte vor gut einem Jahr die elektronische Aufenthaltsüberwachung beschlossen, im Januar 2012 wurde das System eingeführt. Laut Justizministerium tragen derzeit zehn Menschen in Bayern die Fußfessel, davon seien drei Gewaltstraftäter und sieben Sexualstraftäter. Auch der Mörder der zwölfjährigen Vanessa aus Gersthofen bekam am Dienstag vorsichtshalber eine Fußfessel angelegt. Denn der Augsburger Prozess um seine nachträgliche Sicherungsverwahrung neigt sich dem Ende zu.

Der Opferschutzverband Weißer Ring steht der elektronischen Fußfessel zwiegespalten gegenüber. „Die Fußfessel ist nicht immer das Allheilmittel“, sagte Verbandssprecher Veit Schiemann auf Anfrage. Auch andere Maßnahmen brächten keine hundertprozentige Sicherheit. Werde ein mit Fußfessel freigelassener Straftäter rückfällig, habe ihn die Justiz falsch beurteilt. Das heiße aber nicht, dass die Fußfessel an sich schlecht sei, sagte Schiemann. Aus Sicht der Opfer helfe sie, Täter schneller zu überführen. Der Freie Wähler-Abgeordnete Florian Streibl sagte, Sexual- und Gewaltstraftäter seien nicht der geeignete Personenkreis für die Fußfessel. Er sprach sich für die Anwendung in harmloseren Fällen vor. (dapd)

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