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Kampusch

© dpa

Natascha Kampusch: Das fast normale Leben einer 19-Jährigen

Vor einem Jahr gelang Natascha Kampusch die Flucht von ihrem Entführer. Nun setzt der Vermarktungsreigen mit aller Härte ein.

Natascha Kampusch sieht ziemlich gut aus. Die langen blonden Haare hat sie meistens zu einem Zopf nach hinten gebunden, sie trägt vorzugsweise lange, modische Kleider und unglaublich große Sonnenbrillen. Nur ihre Haut ist immer noch ungewöhnlich hell.

Genau ein Jahr ist es mittlerweile her, dass Natascha Kampusch die Flucht gelang und die wohl spektakulärste Entführungsgeschichte Österreichs zu Ende ging. Im Frühjahr 1998 war Kampusch als zehnjähriges Mädchen von Wolfgang Priklopil entführt worden, achteinhalb Jahre hatte er sie daraufhin nur wenige Kilometer Luftlinie von ihrem Elternhaus entfernt in einem Kellerraum gefangen gehalten.

Die Geschichte sorgte weltweit für Aufsehen, und als Anfang September im österreichischen Staatsfernsehen das erste Interview mit ihr ausgestrahlt wurde, hatte der ORF die drittgrößte Quote seiner Geschichte erzielt. Am heutigen Montag wird Kampusch neuerlich im ORF zu sehen sein, im Gespräch mit dem Journalisten Christoph Feuerstein, der sie schon vor einem Jahr befragte. Das Interview ist auf Wunsch von Kampusch in Barcelona geführt worden, sechs Tage hatten sich Feuerstein, das ORF-Team, Kampusch und ihre Halbschwester in Spanien aufgehalten. Sie war in ihrem Leben noch nie zuvor im Meer geschwommen.

Im Sommer 2007 ist Kampusch nach wie vor eine medial gesehen spannende Person. Ein Jahr nach ihrer Flucht setzt allmählich die Revanche der Revolverblätter ein. Kampusch hatte auf Anraten ihres Medienberaters und ihrer Anwälte eine sehr rigide Presselinie gefahren, sie hatte Interviews nur ausgewählten Medien gewährt und sich auch das Recht herausgenommen, die Fragen, die ihr gestellt werden durften, auszuwählen. Und nun, so scheint es, beginnen erste Schranken zu fallen.

Erst vor wenigen Wochen waren in einer Wiener Gratis-Zeitung Fotos veröffentlicht worden, die Kampusch in einer Wiener Innenstadt-Diskothek zeigten. Die Bildtexte insinuierten, dass es sich bei dem Mann an ihrer Seite um ihren Freund handelte. Und auch Kampuschs Familie gibt viel Stoff her. Obwohl sich die Tochter dagegen verwahrt hatte, schrieb ihre Mutter ein Buch, das rechtzeitig zum Jahrestag in einem großen Wiener Verlag erschien. Darin rechnet die Mutter, die nun nicht mehr Brigitta Sirny, sondern Brigitta Sirny-Kampusch heißt, gleich mit mehreren Leuten ab: Die Therapeuten hätten sie von ihrer Tochter abgeschottet, der Vater würde sich plump an seine Tochter anbiedern.

Doch wie geht es Natascha Kampusch selbst? Der ORF- Interviewer Feuerstein, der mehrmals mit ihr zusammen getroffen war, schildert sie als starke, belesene und „durchaus selbstironische Frau mit großartigem Humor. Sie nimmt sich selbst nicht immer allzu ernst.“ Natascha Kampusch wohnt heute in einer 120 Quadratmeter großen Eigentumswohnung am Wiener Spittelberg, einem blitzsauberen und seit Jahren ziemlich angesagten, also teuren Viertel in der Wiener Innenstadt. Vor allem jüngere Besserverdiener aus der Kreativwirtschaft wohnen hier, und dass dieser Bezirk der erste in Österreich war, in denen die Grünen zur stärksten Partei aufgestiegen sind, passt angesichts der Sozialstruktur auch ganz gut. Kampusch hat ihre Eigentumswohnung von zwei österreichischen Medien bekommen, als Gage für das erste Interview, das sie vor elf Monaten gegeben hatte. Sie nimmt Unterricht, um möglichst schnell den Hauptschul-Abschluss nachzuholen. In ihrer Freizeit geht sie gerne Bogenschießen, und in den Ferien büffelt sie gerade für die Führerscheinprüfung. Ein fast normales Leben für eine 19-Jährige.

Markus Huber[Wien]

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