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Upper West Side. John Lennon wohnte hier, er wurde vor dem Haus erschossen.

© dpa

New York: Central Park West, weiß

Seit seiner Eröffnung gehörte das Dakota zu den meistbewunderten Gebäuden New Yorks. Den Eigentümern des Luxusapartmentgebäudes "Dakota" wird nun Rassismus vorgeworfen.

Um kaum ein Gebäude in New York ranken sich so viele Legenden wie um das „Dakota“. Das im Renaissance-Stil gebaute Luxusapartmentgebäude am Central Park beherbergt eine handverlesene Elite: die Reichen, die Schönen … und die Rassisten. Das behauptet jedenfalls Alphonse Fletcher Jr., einer der wenigen Schwarzen im Gebäude, der sich von der Eigentümerversammlung diskriminiert fühlt.

Als das prunkvolle Gebäude mit seinen mächtigen Giebeln, Zwickeln und Balustraden 1880 an der Upper West Side errichtet wurde, war die Gegend nur spärlich besiedelt. Das Haus schien vom Rest der Stadt so weit entfernt zu sein wie, eben, Dakota. Daher, so die Legende, stammt der Name. Doch gibt es auch andere Geschichten. Der Bauherr, seinerzeit Chef der Singer-Nähmaschinenfabrik, soll ein Faible für die indianischen Namen gehabt haben. Seine Bildhauer ließ er einen Dakota-Indianer in ein Relief über dem Eingang meißeln.

Seit seiner Eröffnung gehörte das Dakota zu den meistbewunderten Gebäuden New Yorks. Durch den gewaltigen Eingang an der 72. Straße konnten ganze Pferdefuhrwerke in den Innenhof fahren, livrierte Diener standen – und stehen noch heute – davor, um das Gebäude vor allzu neugierigen Blicken zu schützen. Entsprechend gab es bald die tollsten Gerüchte: Von Böden aus massivem Silber war die Rede und von einem Treppenhaus aus edlem Mahagoni. Das Dakota hatte früh Zentralheizung, Ende des 19. Jahrhunderts ein Novum, dazu eigene Krocket- und Tennisplätze.

Das zog die Eliten an, und über die Jahre las sich die Liste der Bewohner wie ein Who-is-Who: Leonard Bernstein, Judy Garland und Rudolf Nurejew lebten hier. Direkt unter dem steilen Dach wohnte John Lennon, der 1980 vor dem Haus erschossen wurde. Seine Witwe Yoko Ono lebt immer noch im Dakota, ebenso die Hollywood-Legende Lauren Bacall und eine Auswahl schwerreicher Financiers aus Wall-Street-Kreisen.

Zu ihnen gehört Alphonse Fletcher, der 1992 einzog und dem es mit Frau und zweijähriger Tochter zu eng geworden ist. Die dreiköpfige Familie muss sich zurzeit mit drei Schlafzimmern, dreieinhalb Bädern, Wohn- und Esszimmer, zwei Dienstmädchenzimmern und Blick auf den Central Park begnügen. Diesen 250 Quadratmetern wollte Fletcher die Wohnung seiner verstorbenen Nachbarin anschließen, doch die Eigentümerversammlung stoppte den Deal.

Man habe „finanzielle Bedenken“, heißt es offiziell. Doch das ist unsinnig, denn Fletcher hat sein erstes Apartment bar bezahlt und dürfte auch für den 5,7 Millionen Dollar teuren Zukauf keinen Kredit benötigen. Immerhin liegt sein Vermögen bei mehr als 80 Millionen Dollar. Die wahren Gründe für das Veto der Verwaltung sind damit unklar. Fletcher fühlt sich wegen seiner Hautfarbe diskriminiert und klagt jetzt vor dem Supreme Court der Stadt New York.

Die Anklageschrift ist voller Details aus dem ansonsten diskreten Innenleben des Dakota. Auf 58 Seiten gibt sie haarsträubende Anekdoten aus der Eigentümerversammlung wider. So habe Fletcher schon vor einigen Jahren Probleme gehabt, als er ein Apartment für seine Mutter kaufen wollte. Das wurde nur unter Auflagen genehmigt: In der Wohnung darf außer Fletchers Mutter niemand einziehen oder als Gast übernachten. Ob diese Regelung, die vorher für kein Apartment im Haus galt, einen rassistischen Hintergrund hat, ist schwer zu beweisen. Allzu weit hergeholt ist es aber nicht. Die Anklageschrift ist voller Anekdoten, die auf organisierte Diskriminierung deuten:

So will die Soul-Legende Roberta Flack („Killing Me Softly“), die einzige andere schwarze Miteigentümerin, seit Jahren eine neue Badewanne einbauen lassen, was ihr vom zuständigen Co-Op-Board bisher untersagt wurde. Mitglieder des Boards sollen sogar über die Schikane witzeln, mit der man die 73-Jährige plagt.

Ein Ehepaar aus einer New Yorker Immobiliendynastie soll das Dakota-Board als „Juden-Mafia“ beschimpft haben. Allerdings durften die beiden ihr 20-Millionen-Dollar-Apartment letztlich doch kaufen. So viel Glück hatte ein lateinamerikanisch aussehender Bewerber nicht. Der wolle von seinem Apartment im ersten Stock wohl Drogen auf der Straße kaufen, mutmaßte das Board. Dass der Mann mit einer „prominenten, finanziell durchaus qualifizierten weißen Frau“ verheiratet war, stimmte die Eigentümer nicht um – das Paar blieb draußen. Obwohl beide in den Prozessunterlagen nicht namentlich genannt werden, wissen Insider, dass es sich um die Hollywood-Stars Antonio Banderas und Melanie Griffith handelt. In deren Umfeld gibt es noch andere, die nicht einziehen durften: Auch Billy Joel, Cher und Madonna wurden abgewiesen.

All das habe nichts mit Rassismus zu tun, sagt die Eigentümerversammlung. Fletcher sei selbst jahrelang Mitglied des Boards und von 2007 bis 2009 sogar Vorsitzender gewesen. Es sei grotesk und lächerlich, dass er in seiner Klage solche Vorwürfe erhebe. Das Dakota schätze vielmehr die Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit seiner Bewohner.

Den Prozess erwartet man wohl dennoch mit Bangen. Denn mit Fletcher hat man einen ernst zu nehmenden Gegner, der schon einmal einen Diskriminierungsprozess gewonnen hat. 1991 verklagte er seinen Arbeitgeber, die Investmentfirma Kidder, Peabody & Company. Die hatte ihm einen geringeren Bonus gezahlt als seinen weißen Kollegen, angeblich mit der flapsigen Begründung, die vollen 5 Millionen Dollar seien „zu viel Geld für einen jungen, schwarzen Mann“. Die Firma einigte sich letztlich außergerichtlich mit dem damals 25-jährigen Fletcher und zahlte mehr als eine Million Dollar nach.

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