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Transrapid

© ddp

Niedersachsen: Drei Mitarbeiter wegen Transrapid-Unglücks angeklagt

Knapp ein Jahr nach dem Transrapid-Unglück mit 23 Toten im Emsland hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Fahrdienstleiter und die Betriebsleitung der Teststrecke in Lathen erhoben. Ihnen wird fahrlässige Tötung in 23 Fällen vorgeworfen.

Fast ein ganzes Jahr lang hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt. Noch während die 23 Leichen aus dem Wrack des auf der Teststrecke im emsländischen Lathen verunglückten Transrapid geborgen wurden, nahmen zwei Staatsanwälte ihre Arbeit auf. In den Monaten nach dem 22. September 2006 wurden Aktenordner mit Betriebsgenehmigungen gewälzt, Experten-Gutachten studiert und Zeugen vernommen. Mit Hilfe digitaler Technik ließen die Ermittler die letzten Sekunden vor dem Zusammenprall mit einem Werkstattwagen nachstellen und den dazugehörigen Funkverkehr in das Szenario einbauen.

Am Ende ist für die Anklagebehörde klar: Der Fahrdienstleiter der Teststrecke, der Betriebsleiter und dessen Vorgänger haben sich der fahrlässigen Tötung in 23 Fällen und der fahrlässigen Körperverletzung in elf Fällen schuldig gemacht. Ermittlungen gegen einen zweiten Mann auf dem Leitstand sowie gegen das Management der Betreibergesellschaft IABG aus Ottobrunn wurden eingestellt.

Alles dreht sich um die Wegfahrsperre

Die Anklage dreht sich vor allem um eine sicherheitstechnische Frage. Auf der Teststrecke, die seit mehr als 20 Jahren unfallfrei betrieben worden war, gab es seit Herbst 2005 eine elektronische Wegfahrsperre. Diese Sperre war zum Zeitpunkt des Unfalls nicht eingeschaltet. Der Fahrdienstleiter hatte darauf verzichtet - wie bei unzähligen Fahrten zuvor. Hätte er den entscheidenden Knopf gedrückt, wäre der Unfall mit Sicherheit nicht passiert, sagt der ermittelnde Staatsanwalt Jörg Schröder.

Die Schuld der beiden Betriebsleiter liege darin, dass sie für das Einschalten der Sperre keine verbindliche Vorschrift erlassen hätten. Dies sehen deren Verteidiger anders. Die Firma Siemens als Hersteller des Sperrsystems habe eine klare Anwendungsvorschrift erlassen. Sonderfahrzeuge wie Werkstattwagen dürften grundsätzlich nur bei eingeschalteter Sperre betrieben werden, heißt es darin sinngemäß.

Zudem hätte der Fahrdienstleiter auch noch andere Möglichkeiten als die Wegfahrgsperre gehabt, um die Strecke wegen des noch auf den Gleisen befindlichen Werkstattwagens zu sperren. Ein einfacher Funkspruch hätte genügt. "Das Fahrzeug wurde schlicht und einfach vergessen", sagt Ermittler Schröder. Dieser Schluss werde auch von den Funkaufzeichnungen gestützt. Dort habe der Fahrdienstleiter seinen Fehler unmittelbar nach dem Unglück zugegeben.

Aufatmen in der Politik: Testbetrieb kann weitergehen

Das sind Ermittlungsergebnisse, die in der Politik für Aufatmen sorgen. Niedersachsens Landesregierung möchte den Testbetrieb auf der Unglücksstrecke in Lathen so schnell wie möglich wieder aufnehmen. Kommunalpolitiker wollen den Weiterbetrieb ebenso, weil ihnen sonst eine der wichtigsten Touristenattraktionen der Region verloren ginge. Hätten die Ermittlungen strukturelle Verfehlungen statt menschlichen Versagens zu Tage gefördert, wäre eine Fortsetzung der Fahrten kaum durchzusetzen gewesen.

Auch wenn es am Donnerstag keiner aussprach: Die Hauptschuld sehen die Ermittler bei einem einzelnen Menschen, dem Fahrdienstleiter. Bis heute muss der Mann psychiatrisch behandelt werden, ein Ende sei nicht abzusehen, sagt sein Verteidiger Jürgen Restemeier. Deshalb könne es noch Jahre dauern, bis es zum Prozess kommt und die Schuldfrage gerichtlich geklärt wird. Die schlüssigste Antwort darauf hat womöglich der Fahrzeugführer mit in den Tod genommen. "Sehenden Auges", so die Verteidigung, sei dieser auf den Werkstattwagen aufgefahren. Warum er nicht gebremst hat, bleibt für immer ungeklärt.

Michael Donhauser[dpa]

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