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Niedersachsen: Suche nach Nadine vorläufig eingestellt

Nach dem mutmaßlichen Misshandlungs- und Tötungsfall nahe dem niedersächsischen Gifhorn glaubt die Polizei nicht mehr daran, Nadines Leiche zu finden. War es ein kaltblütiges Verbrechen oder eine Verzweiflungstat?

Gifhorn - Bunte Blätter segeln von den Bäumen, Regen klopft an die Fenster, Kinder spielen Fußball. So sieht ein ganz normaler Herbst-Samstag im niedersächsischen Neudorf-Platendorf bei Gifhorn aus. Doch es ist kein normaler Samstag. Der Schock steht den Anwohnern des kleinen Dörfchens ins Gesicht geschrieben. Erst am Vortag war hier bekannt geworden, dass damalige Nachbarn im Januar 2003 ihre damals drei Jahre alte Tochter Nadine schwer misshandelt und getötet haben sollen.

Unmittelbar danach sollen sie ein weiteres Kind gezeugt, es anonym im Wohnzimmer zur Welt gebracht und dann als Nadine ausgegeben haben. "Das Schockierendste ist, dass niemand etwas gemerkt hat", sagt Manfred Knigge. Er wohnt seit 56 Jahren in der Straße, in der alles passiert sein soll. "Die Leute habe ich nie zu Gesicht bekommen. Da stand nur immer ein Haufen Spielzeug auf der Terrasse", sagt er.

Auch sonst will niemand in dem Dorf die Familie gekannt haben. "Seit 15 Jahren hat sich hier alles anonymisiert. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, viele neue Häuser wurden gebaut", sagt Nachbar Georg Benke. Wer nicht im Sportverein war, war quasi auch kein Mitglied der Dorfgemeinschaft. Die Männer des Sportvereins sind sich einig: "Die Geschichte ist unglaublich und unheimlich."

"Wir werden nicht weitersuchen"

Als Nadine starb, war sie drei Jahre alt. Ihre Leiche ist nach Angaben der Eltern im Südharz, irgendwo zwischen Seesen und Bad Gandersheim, verscharrt. Gefunden wurde die Leiche noch nicht. "Wir werden nicht weitersuchen. Die von den Eltern beschriebene Stelle haben wir komplett erfolglos umgekrempelt", sagt Polizeisprecher Sven-Marco Claus am Samstag. Erst wenn es eindeutige Hinweise auf den Grabungsort gebe, werde die Polizei wieder tätig. Die Ermittlungen gestalten sich auch sonst äußerst schwierig. Die Mutter, eine 30 Jahre alte Malerin, und der Vater, ein Jahr älter und gelernter Kfz-Mechaniker, waren zum Zeitpunkt von Nadines Verschwinden beide arbeitslos und zogen nach dem mysteriösen Verbrechen Hals über Kopf nach Gifhorn, um keinen Verdacht auf sich zu ziehen.

Auf die Spur des Verbrechens war die Polizei durch einen Hinweis eines Freundes der Familie gekommen. Die Eltern habe offenbar die Last des schlechten Gewissen bedrückt, deshalb hätten sie sich jemandem anvertraut, sagte Claus weiter. Am Dienstagabend überprüften Beamte daraufhin die Wohnung des Paares. Den Polizisten wurde ein deutlich jüngeres Kind als das gesuchte präsentiert, das heute sechs Jahre alt wäre.

Daraufhin wurden die Eltern wegen des Verdachts auf Körperverletzung mit Todesfolge vorläufig festgenommen. Die anderen fünf Kinder der Familie machten laut Claus keinen vernachlässigten Eindruck. Ob die drei Jungen (10 und 5 Jahre sowie 11 Monate alt) und zwei Mädchen (8 und 3 Jahre alt) ebenso misshandelt wurden, werde derzeit geprüft.

Eltern bestreiten Misshandlungen

In ihren Vernehmungen gaben die Eltern laut Polizei den Tod ihrer Tochter zu. Sie bestritten jedoch vorangegangene Misshandlungen oder Vernachlässigungen. Beide gaben an, dass Nadine in der elterlichen Wohnung in Neudorf-Platendorf von der Leiter eines Hochbettes gestürzt sei. Man habe keine äußeren Verletzungen festgestellt und deshalb mit dem Kind auch keinen Arzt aufgesucht. Nadine sei dann an den Sturzfolgen verstorben.

Laut Landrätin Marion Lau wurde die Familie bis 2002 vom Jugendamt betreut. Danach sei es nicht mehr nötig gewesen. Das Jugendamt habe korrekt gehandelt.

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Schicksal der kleinen Nadine ans Tageslicht kam. 2007 hätte Nadine eingeschult werden müssen. Bei der jüngeren Tochter, die als Nadine ausgegeben wurde, wurde bereits in einer ersten Schuluntersuchung im April dieses Jahres aktenkundig festgestellt, dass sie auffällig kleingewachsen und erheblich sprachauffällig war. Eine weitere und ausführlichere Untersuchung sollte demnächst folgen. (Von Daniela Schmitz, ddp)

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