zum Hauptinhalt

Panorama: Nur Möchtegern-Terrorist?

Die Polizei verhört den 17-jährigen Bremer Busentführer

Wie ernst sind die Drohungen des Busentführers von Bremen gewesen? Gibt es einen terroristischen islamistischen Hintergrund, oder ist der 17-Jährige ein „Möchtegern-Terrorist“, wie der Kriminologe Christian Pfeiffer sagte? Staatsanwälte und Polizisten versuchten am Samstag in stundenlangen Vernehmungen, Genaueres über seine Motive zu erfahren. Ein Richter erließ am Abend Haftbefehl. Der vor einem Jahr als Deutscher eingebürgerte Libanese hatte in Briefen an seine Eltern und die Polizei erklärt, er habe zwar bisher keinen Kontakt zu Terroristen, wolle aber „Israel das Leben zur Hölle machen" und „schlimmer als bin Laden" werden. Er forderte, vier in verschiedenen Ländern einsitzende Al-QaidaMitglieder freizulassen: Ramzi Binalshibh, Mounir Al Motassadeq, Lased Ben Heni und Sheik Al Mojad.

Binalshibh soll von Hamburg aus die Vorbereitung der Anschläge vom 11. September 2001 mit koordiniert haben. Er wurde 2002 in Pakistan verhaftet und an die USA überstellt. Sein Freund Motassadeq wurde im Februar vom Hamburger Oberlandesgericht wegen Beihilfe zu den Mordanschlägen zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der angeblich in Bin-Laden-Camps ausgebildete Ben Heni wurde 2001 in München gefasst und an Italien ausgeliefert. Der Anfang 2003 in Frankfurt verhaftete Al Mojad soll Gelder für bin Laden gesammelt haben. Alle vier Namen standen in der Presse, so dass der 17-Jährige sie nicht aus internen Zirkeln kennen muss.

Der wesentlich älter wirkende Jugendliche hatte gefordert, dass die vier Männer nach München gebracht werden sollten, bis er dort mit dem entführten Bus einträfe. Er wolle sie dort „abholen und dann weiterfahren" – wohin auch immer. Die Entführung endete schon bei Hildesheim mit der Freilassung aller zuletzt noch 15 Geiseln und seiner Festnahme. Noch sei ungeklärt, ob es sich wirklich um einen Terroristen oder nur um einen Verwirrten handele und ob er Hintermänner habe, sagte der ermittelnde Staatsanwalt Uwe Picard am Samstag. „Ich gebe zu bedenken: Er ist ein Jugendlicher", sagte Picard. Seine Eltern hätten den Ermittlern gesagt, ihr Junge habe „nur Blödsinn im Kopf". Picard kann nicht bestätigen, was Bremens Innensenator Kuno Böse (CDU) am Freitagabend behauptet hatte, nämlich dass der junge Mann regelmäßig das Freitagsgebet in einer Bremer Moschee besucht habe, in der auch ein 19-jähriger Türke verkehrt haben soll, der Anfang 2002 als Taliban-Mitläufer auf dem Weg nach Afghanistan verhaftet wurde und seitdem auf dem US-Stützpunkt Guantanamo Bay einsitzt.

Während Innensenator Böse den Eindruck erweckte, als handele es sich bei dem Jugendlichen um einen gefährlichen Islamisten, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (ebenfalls CDU) im NDR-Fernsehen: „Dass er freiwillig aufgegeben hat, das ist auch ein Indiz dafür, dass es sich vielleicht doch nicht um einen so gefährlichen Täter handelt." Schünemann forderte, künftig Einbürgerungen zu erschweren und möglichst schnell auch in Niedersachsen den polizeilichen Todesschuss zu erlauben. So sollen Einbürgerungsanträge von Leuten aus so genannten Schurkenstaaten genauer geprüft werden und dabei der Verfassungsschutz eingeschaltet werden.

Der Politikprofessor Iring Fetscher sprach im NDR von „Großsprecherei des jungen Mannes". Der Psychologe Andreas Herter meinte in „Bild": „Er ist psychisch schwer gestört. Seine politischen Forderungen waren nur ein Vorwand, um seine Allmachtsfantasien auszuleben."

„Alles nur Wichtigtuerei“

Professor Christian Pfeiffer bezeichnete den Busentführer gegenüber dpa als einen „Möchtegern-Terroristen“. „Die Bewertung, dass die Tat einen islamistischen Hintergrund hat, ist sehr einseitig und wird dem nicht gerecht, dass es sich um einen 17- Jährigen handelt, der von Heldenträumen geprägt war“, sagte Pfeiffer, der bis Anfang März SPD-Justizminister in Niedersachsen war. „Der Täter ist unreif und hat spätpubertierende Fantasien, dass er die Macht hätte, all das zu tun, was er als Gründe für seine verrückte Tat vorgibt. Man kann den nicht ernst nehmen.“ Die Entführung sei „amateurhaft“. „Terroristen, die wirklich islamistisch geprägt eine schlimme Tat vorhaben, gehen anders vor.“ Die Forderungen, etwa nach der Freilassung von Al-Qaida-Mitgliedern, dokumentierten nur eines: „Alles nur Wichtigtuerei.“ Der US-Spielfilm „Speed“ am Ostersamstag, der die Entführung eines Busses zeigt, könne den Täter animiert haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false