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Österreich: Fall Kampusch: Vertuschte Polizei Fehler?

Vier Jahre nach der Flucht von Natascha Kampusch aus ihrem Verlies kehrt in Österreich noch immer keine Ruhe um den Entführungsfall ein. Das Ministerium befürchtete einen Skandal vor den Wahlen.

Wien - Das Nachrichtenmagazin „Profil“ veröffentlichte am Montag erstmals in Auszügen interne Ministeriums- und Polizeischriften. Diese nähren den Verdacht, dass die Behörden Ermittlungspannen bei der Suche nach dem achteinhalb Jahre verschwundenen Mädchen vertuscht haben könnten. Damit sollte möglicherweise ein Polizeiskandal kurz vor den Nationalratswahlen 2006 – den österreichischen Parlamentswahlen – vermieden werden. Das Innenministerium wollte den Bericht nicht kommentieren.

Die Wienerin war im März 1998 als Zehnjährige auf dem Weg zur Schule von Wolfgang Priklopil entführt und in einem Kellerverlies gefangen gehalten worden. Am 23. August 2006 konnte die junge Frau aus eigener Kraft flüchten, ihr Peiniger nahm sich noch am selben Tag das Leben. Nach Kampuschs Wiederauftauchen wurden immer mehr Fragen nach möglichen Mittätern und Polizeifehlern laut. Etwa einen Monat nach der Entführung des Mädchens überprüften Beamte auch Priklopil, weil ihm ein weißer Kastenwagen gehörte. Zeugen hatten das Mädchen in solch einem Fahrzeug verschwinden sehen. Priklopil hatte für die Tatzeit kein Alibi.

Tage später beschrieb ihn ein Polizeibeamter nach ersten Ermittlungsergebnissen: „Dieser Mann sei ein sogenannter ,Eigenbrötler’, welcher mit seiner Umwelt extreme Schwierigkeiten habe und Kontaktprobleme habe“, zitiert „Profil“ aus dem Polizeiprotokoll. Er lebe in einem elektronisch voll abgesicherten Haus und solle sexuell an Kindern interessiert sein. Dennoch stellte die Polizei die Ermittlungen gegen Priklopil ein.

2008 spricht der zur Zeit von Kampuschs Flucht zuständige Chef des österreichischen Bundeskriminalamts (BKA), Herwig Haidinger, erstmals von nicht ernst genommenen Hinweisen und der darauffolgenden Vertuschung von Fehlern. Aus den von „Profil“ veröffentlichten Dokumenten wird klar, dass sich Haidinger 2006 immer wieder für Aufklärung und auch ein mögliches Recht auf Klage von Kampusch gegen Österreich einsetzte.

Vom Ministerium unter der damaligen konservativen Innenministerin Liese Prokop wurden ihm dem Bericht zufolge immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen. Unter anderem sollen zwei Polizisten den Beamten, der auf Priklopil aufmerksam gemacht hatte, erneut besucht haben – ohne dies zu protokollieren. Die Frau des besuchten Beamten sagte dem Magazin, einer der Polizisten habe gesagt, „dass wir uns in Zeiten wie diesen keinen Polizeiskandal leisten könnten.“ Die Parlaments-Neuwahlen waren nur wenige Wochen entfernt. „Bitte sag nichts, zu keinem was, sonst können wir zusperren“, lautete ein weiterer Appell. Auch der BKA-Chef bekam von der Ministerin ausgerichtet, dass sie vor den Wahlen keinen Polizeiskandal haben wolle. Er schrieb am 31. August 2006 den Aktenvermerk, aus dem „Profil“ zitiert: „Damit verstärkt sich mein Eindruck, dass hier ,etwas vertuscht' werden sollte.“ dpa

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