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Marco

© dpa

Prozess: Auf das Mädchen kommt es an

Marco W. bleibt in Haft – bis zur Aussage der 13-jährigen Britin. Der Gutachter sagt, dass es keine Vergewaltigung gegeben hat.

Das nun schon vier Monate lange Warten kostet sichtlich Nerven. Auf dem Flur des Gerichtsgebäudes von Antalya läuft der Vater des wegen Missbrauchs eines britischen Mädchens angeklagten Marco nervös auf und ab. Mit seinen grau-weißen Kacheln hat das Gebäude den nüchternen Charme eines Finanzamtes. Doch in den sorgenvollen Gesichtern der Wartenden spielen sich Dramen ab. Dann die für Marco schlechte Nachricht: Das Verfahren wird auf den 6. September vertagt. Der Jugendliche bleibt in türkischer Untersuchungshaft. Der Fall des 17-Jährigen steckt in den Mühlen der Justiz fest.

Die für Marco gute Nachricht: Der Arzt, der in seinem schriftlichen Gutachten eine Vergewaltigung nahegelegt hatte, hielt diese Version gestern vor Gericht nicht aufrecht. Der deutsche Anwalt Nikolaus Walther sieht die Version von Marco bestätigt. Denn der türkische Gynäkologe Levent Hekim (58), der die 13-jährige Britin Charlotte nach jener Nacht vor vier Monaten untersucht hat, hat keine Anzeichen für eine Vergewaltigung des Mädchens gefunden. Er schildert Journalisten nach seiner Zeugenaussage, was sich damals ereignet hat.

Danach war Charlotte mit ihrer Mutter zunächst beim Hotelarzt. Der habe sich für nicht zuständig erklärt und die Mutter an das Krankenhaus verwiesen. Dort sei das Mädchen ganz entspannt gewesen. Die Frage, ob ihr Gewalt angetan worden sei, habe sie verneint. Sie habe Marco selbst eingeladen, gibt der Arzt die Aussage wieder.

Was sagt Charlotte M.?

Bei der medizinischen Untersuchung seien zwar Spermaspuren im Körper des Mädchens gefunden worden. Diese seien aber offensichtlich hineingelaufen. Die 13-Jährige sei noch Jungfrau. Mutter und Schwester waren nach Aussage des Arztes aber sehr nervös wegen einer möglichen Schwangerschaft. Die Vorwürfe der Briten gegen Marco hatten sich danach dramatisch verschärft. Den Prozess treibt vor allem die britische Familie des Mädchens voran. Die türkischen Justizbehörden bieten die juristische Bühne.

Was aber sagt Charlotte M.? Davon hängt für Marco jetzt alles ab. Das Schwurgericht will ihn erst freilassen, nachdem es das mutmaßliche Opfer gehört hat – die 13-jährige Charlotte M. aus England.

Und deren Aussage lässt auf sich warten. Nicht etwa, weil Charlotte schweigen würde, sondern weil ihre Vernehmung auf schriftlichem Wege von Antalya über Ankara und London nach Manchester und wieder zurück läuft – und das dauert viel Zeit, auch weil alles immer zuerst einmal übersetzt werden muss.

Um das Verfahren abzukürzen, könnte Charlotte M. möglicherweise zum nächsten Prozesstermin am 6. September selbst in die Türkei kommen. Von ihrer Aussage hängt dann alles ab: Entlastet sie den Angeklagten, könnte Marco W. noch am selben Tag freigelassen werden. Belastet sie ihn aber, dann könnte die Anklage sogar ausgeweitet werden. Denn die Beweislage ist nach dem dritten Verhandlungstag verworrener denn je.

Durch die Aussage des Arztes, es habe keine Gewaltanwendung gegeben, haben sich Marcos Aussichten auf einen Freispruch gewaltig verbessert –, wenn da nicht der schriftliche Bericht desselben Gutachters wäre, der nach Angaben aus Justizkreisen in Antalya ganz anders aussieht. Demnach soll der Geschlechtsverkehr doch vollzogen worden sein; anders hätte das Sperma nicht so tief in die Vagina des Mädchens kommen können, heißt es mehreren Quellen zufolge in dem Gutachten.

Ein entscheidender Unterschied, hätte das doch erhebliche Rückwirkungen auf die Glaubwürdigkeit des Angeklagten: Marco W. beteuert, er habe nicht mit dem Mädchen geschlafen. Welche Version des Gutachters den Ausschlag geben soll, werden die Stammrichter des Schwurgerichts entscheiden müssen, wenn sie im September aus dem Urlaub zurück sind. Der Ersatzrichter, der  die Verhandlung leitete, nahm das schriftliche Gutachten jedenfalls mit in die Prozessakten auf.

Das Auswärtige Amt bemüht sich weiter um eine Entlassung Marcos aus dem Gefängnis. "Wir vertrauen weiter darauf, dass die unabhängige türkische Justiz im laufenden Verfahren ein faires Verfahren garantiert und die Möglichkeit zu einer Freilassung, die es ja durchaus gibt, ausschöpft", sagte eine AA-Sprecherin in Berlin. Die Bemühungen liefen weiterhin auf "Hochtouren". Zum laufenden Verfahren selbst wollte sich die Sprecherin nicht äußern. (güs/dpa)

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