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Panorama: Putin - kaum privat

Auch Reiche weinen manchmal. Das weiß Russland spätestens, seit Anfang der Neunziger eine mexikanische endless-soap gleichen Namens im Fernsehen zum Quotenhit wurde.

Auch Reiche weinen manchmal. Das weiß Russland spätestens, seit Anfang der Neunziger eine mexikanische endless-soap gleichen Namens im Fernsehen zum Quotenhit wurde. Seit gestern weiß die Nation, dass auch ihre First Lady manchmal mit den Tränen kämpft.

Ihren Ehegatten fresse das Regieren auf, für Theaterbesuche oder einen Plausch mit Freunden bleibe kaum Zeit. Was Ljudmila Putina in den "seltenen Einblicken in das Privatleben" dem Massenblatt "Komsomolskaja prawda" sagte, war eher vorsichtig formuliert und lässt auf mehrfache Redaktion des Textes schließen: Schere im Kopf des Interviewers, Zensur durch die "Organe" und durch dessen einstigen Chef - Ehemann Wladimir, einem bekennenden Fan einer gelenkter Demokratie.

Die eigentliche Sensation bestand daher darin, dass "Ljusja" - Russlands Presse hat sich für den inoffiziellen Sprachgebrauch bei Frau Putina auf ein Kürzel geeinigt, mit dem Eltern pubertierende Töchter rufen - überhaupt etwas sagte. Denn die "den Menschen liebe" - so die wörtliche Übersetzung ihres Vor- namens - ist eher menschenscheu und gibt in der Öffentlichkeit mit seltenen Ausnahmen das treu sorgende Eheweib und die aufopferungsvolle Familienmutter.

Themen, die sie im Interview in epischer Breite abhandelte: Die Töchter Masche und Katja - beide spielen Geige und sind auch sonst gut geraten, wie Putin schon in einem Iswestija-Interview feststellte. Welchen Anteil daran sich die deutsche Schule in Moskau anrechnen kann, blieb ungesagt. Frau Putina jedenfalls tut ihr Bestes, um Faulenzen und Puppenspiel in Grenzen zu halten. Zur eigenen Person war sie weniger gesprächig.

Und das sei auch gut so, sagte Ehemann Wladimir jüngst dem Staatsfernsehen: "Schließlich haben die Russen nicht sie, sondern mich zum Präsidenten gewählt." Für die breite Öffentlichkeit war Ljudmila Putina daher lange eine Name ohne Gesicht. Erste Bilder von ihr fingen die Kameras beim Besuch von Tony Blair mit Ehefrau Cherie im März 2000 ein. Putin war damals noch nicht gewählt und nur Interimspräsident. Ihren ersten Auftritt als erste Dame Russlands absolvierte sie drei Monate später, bei Putins Besuch in Usbekistan, wo Frauen traditionell wenig zu sagen haben und daher auch kaum etwas verderben können, wie Kommentatoren anmerkten.

Beim ersten Deutschland-Besuch des neuen Kremlchefs kurz zuvor hatte Frau Ljudmila, wie Insider der hiesigen Presse steckten, noch für ihre neue Rolle trainiert. Mit Vizepremier Valentina Matwijenko, der einzigen Frau im Macho-Club der russischen Regierung.

Matwijenko, zuständig für Soziales, hatte im April 2000 einen gemeinsamen Besuch in einem Gefängnis für Mädchen arrangiert. Damit habe sie auf das Problem steigender Jugendkriminalität in Russland aufmerksam machen wollen, sagte Putina jetzt in dem Interview.

Das Blitzlichtgewitter der Fotografen, das damals über sie hereinbrach, ist bis heute ihre Sache nicht. Ein gerütteltes Maß Schuld trägt sie selbst daran. Frau Putina, die, wie eine Ex-Freundin behauptet, ganze Tage mit Streifzügen durch die Klamotten-Kaufhäuser zugebracht haben soll, um die Hälfte der Beute tags darauf wieder umzutauschen, scheint weitgehend beratungsresistent. Bonjour Tristesse möchte man ihr zurufen, wenn sie wieder einmal in weit fließenden grauen Gewändern und einem phantasielosen Make up von gleicher Farbbrillanz daherkommt.

Zwischen Gorbatschows Raissa und Putins Ljudmila liegen Welten. Sogar ihre fast dreißig Jahre ältere Vorgängerin Naina Jelzina, die sich bis heute gern in der Öffentlichkeit zeigt, schneidet in der Öffentlichkeit erheblich vorteilhafter ab.

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