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Radioaktiver Fund: Wie kam Hermann F. ans Uran?

Im niedersächsischen Lauenförde ist man über den radioaktiven Fund eines Arbeitslosen beunruhigt. 110 Gramm angereichertes Uran hatte Hermann F. in seinem Besitz. Woher, darüber schweigt er sich aus.

Lauenförde - Eine derart bizarre Geschichte haben sie im niedersächsischen Lauenförde wohl noch nie erlebt. Ein 45-jähriger ungelernter Arbeitsloser sorgt bundesweit für Schlagzeilen, weil er 110 Gramm angereichertes Uran in seinen Besitz gebracht hat - wohl schon vor vielen Jahren. Wann genau und woher er das radioaktive Material besorgt hat, will Hermann F. den neugierigen Reportern nicht verraten. "Das sage ich dem 'Spiegel' exklusiv", lässt er ein wenig stolz durchblicken.

Vor einer Woche kamen Mitarbeiter des niedersächsischen Umweltministeriums in das 2500-Seelen-Nest im Solling am Dreiländereck von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen. Und fingen an in Hermann F.s Garten zu graben. Genauer gesagt, im Garten seiner Eltern, denn der 45-Jährige wohnt noch bei Vater und Mutter. Dort fanden sie in einem Stahlzylinder 14 so genannte Pellets Uran, kleine Kügelchen des angereicherten radioaktiven Schwermetalls. Nach ersten Laboruntersuchungen handelt es sich um angereichertes Material, wie es in Atomkraftwerken oder Wiederaufbereitungsanlagen verwendet wird.

Nur ein Wichtigtuer?

Irgendwie erleichtert wirkt Hermann F. nun, weil das Uran endlich weg ist. Denn es hatte gedauert, bis sein Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die er darin höchstpersönlich über den Fund informieren wollte, über Umwege schließlich bei den Behörden in Hannover landete. Bereits Jahre zuvor soll er die Polizei über den Fund informiert und in ein Waldstück geführt haben. Doch die Beamten fanden nichts. Im Dorf vermuten manche, dass F. ein Wichtigteuer sei.

"Es ist schon oft vorgekommen, dass er plötzlich mitten auf der Straße anfängt herumzubrüllen", sagt Nachbar Mahmut Karakoc. Im Ort munkeln sie, Hermann F. habe bereits im Gefängnis gesessen. "Nein, das stimmt nicht. Aber ich bin im psychiatrischen Landeskrankenhaus in Behandlung gewesen", sagt er. Und er habe immer wieder mit Drogen experimentiert, seit er 17 Jahre alt war.

Eine verworrene Geschichte

Hermann F.'s Anwalt Rainer Weber, spezialisiert auf Medizinrecht, sagt, dass sein Mandant bereits "fünf oder sechs Mal in psychiatrischer Behandlung" gewesen sei. "Alles wegen dieser Uran-Geschichte", sagt Weber. Die Geschichte ist allerdings verworren. Angeblich habe Hermann F. das irgendwann von jemand anders gestohlene und ihm übergebene Material im Jahre 1994 der Polizei übergeben wollen. Er habe das damals von ihm im Wald versteckte Uran aber in Begleitung der Beamten nicht wiedergefunden und Strahlenexperten auch nicht. "Danach hat man ihn für verrückt gehalten, ihm Verfolgungswahn unterstellt", sagt Weber.

Am Donnerstag brodelt die Gerüchteküche über die Herkunft des Urans, F. trägt selber dazu bei. "Mit 19 habe ich drei Monate lang im Atomkraftwerk Würgassen gearbeitet", behauptet er. Er habe keine Berufsausbildung und immer mal wieder Hilfsjobs gehabt. Die Regionalzeitung "Westfalen-Blatt" berichtet, dass F. wohl vorübergehend in einer Putzkolonne gejobbt habe, die in dem 1994 abgeschalteten, wenige Kilometer von Lauenförde gelegenen Kernkraftwerk beschäftigt war.

Woher stammt das Uran?

Der Eon-Konzern als Betreiber des 1994 stillgelegten Atommeilers Würgassen stellt am Nachmittag klar, dass das Uran nicht von dort stamme. Würgassen war 1994 wegen technischer Mängel stillgelegt worden und wird seitdem abgebaut. F.'s Anwalt Weber sagt hingegen, dass das Nuklearmaterial aus der zum Siemens-Konzern gehörenden Wiederaufbereitungsanlage in Hanau stammen soll. So habe es F. in dem Schreiben, das Weber am 8. Dezember für seinen Mandanten an Kanzlerin Merkel weitergeleitet habe, behauptet. Hermann F. darf unterdessen auf freiem Fuß bleiben. Denn obwohl die Staatsanwaltschaft wegen unerlaubten Besitzes von radioaktivem Material gegen ihn ermittelt, bestehe keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr, sagt ein Polizeisprecher.

Die Beamten rücken unterdessen mit der technischen Ermittlungsgruppe Umwelt in Lauenförde an. Mit Messgeräten verschwinden die Beamten "zu Anschlussermittlungen" in dem Haus in der Raabestraße. Nachbarn befürchten, dass noch mehr Uran im Garten der Familie F. liegen könnte. Anwalt Weber sagt, sein Mandant sei "Opfer und nicht Täter. Er will sich durch seinen Schritt an die Öffentlichkeit rehabilitieren." Warum das Uran erst jetzt wieder auftauchte, bleibt allerdings unklar. (Von Michael Caspar und Peter Leveringhaus, ddp)

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