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© dpa

Raumfahrt-Experiment: Mit Poker und Erdbeeren zum Mars

Sechs Männer haben in Moskau drei Monate lang einen Raumflug zum Mars simuliert – darunter ein Deutscher. Dass inzwischen Sommer ist, konnten sie nicht glauben, als sie aus ihrem verriegelten Container traten.

Etwas blass im Gesicht aber mit einem breiten Grinsen zwängen sich die sechs Männer durch die kleine graue Tür, die vor genau 105 Tagen hermetisch verriegelt worden war. Alle tragen blaue Overalls und gehen in leicht gebückter Haltung. So verlassen sie eine Art Container, der einem Raumschiff nachempfunden ist. Das Modul steht im Moskauer Institut für biomedizinische Probleme, wo am 31. März ein Experiment anlief, das europäische und russische Steuerzahler rund 15 Millionen Euro kostete. Die europäische Raumfahrtagentur Esa und die Partnerorganisation Roskosmos wollten gesundheitliche und vor allem psychologische Probleme bei Langzeitflügen ins All testen. Konkret ging es um die Simulation einer Mission zum Mars.

Das letzte Experiment musste wegen Streits abgebrochen werden

Ein ähnliches Experiment hatte vor zehn Jahren vorzeitig beendet werden müssen. Von Kapselkoller und Langeweile geplagt, hatten die Probanden sich hoffnungslos zerstritten und sich sogar geprügelt. Bei der Auswahl der Kandidaten für ein neues Experiment hatten Esa und Roskosmos daher strenge Maßstäbe angelegt. Von den über 5600 Bewerbern zwischen 25 und 50 Jahren – gesucht wurden vor allem Ingenieure und Flieger mit geringem Aggressionspotenzial – fand auch ein Deutscher Gnade vor den Augen der Jury: Oliver Knickel, 29 und Hauptmann der Bundeswehr. Er freut sich jetzt vor allem darauf, seine Freundin wiederzusehen. Was er mit ihr in den nächsten Tagen unternehmen werde, wusste er gestern allerdings noch nicht. Darüber, sagte er, habe er „an Bord“ überhaupt nicht nachgedacht. Und die Tatsache, dass der Aufenthalt in den engen Modulen – den sechs Mann standen ganze 550 Kubikmeter Raum zur Verfügung – mache ihn sogar ein bisschen melancholisch.

Dass inzwischen Sommer ist, so Knickels französischer Kollege Cyrille Fournier, der als Pilot bei Air France arbeitet, könne er nicht recht glauben. Probleme mit der Zeitrechnung hatten auch ihre russischen Kollegen. Dabei sind zwei von ihnen – Kommandant Sergej Rjasanski und Oleg Artemjew – echte Kosmonauten, die Erfahrungen von realen Langzeitflügen mitbrachten. Er habe die 105 Tage wie vier bis sechs Wochen empfunden, sagte Artemjew. Vor allem für die Gestaltung der Freizeit – täglich acht Stunden – müsse sich die Flugleitung allerdings etwas einfallen lassen. Das Züchten von Erdbeeren und Zwiebeln hatte für ihn schon in der ersten Woche den Reiz des Neuen verloren. Was blieb, waren Pokerpartien mit den Kollegen.

Simulierte Notfälle wurden als Abwechslung empfunden

Die „Weltraumkapsel“ bestand aus einem Wohnbereich mit Schlafkojen, einem Gemeinschaftszimmer, Küche und Bad. Hinzu kamen ein eigenes Medizinmodul, ein Lager- und Sportraum sowie ein Container, mit dem eine Landung auf dem Mars simuliert wurde.

Währen der Arbeitszeit hatten die sechs Männer vor allem Routineversuche zu bewältigen. Simulierte Notfälle – als die Luftversorgung wegen eines Lecks in der Leitung ausfiel, reparierten sie diese mit Klebeband – wurden eher als Abwechslung denn als Störfall empfunden.

Kritiker bezweifeln, dass sich die Erkenntnisse aus dem überwachten Experiment auf reale Bedingungen übertragen lassen. Die beteiligten Forscher sind dennoch sehr zufrieden. „Jetzt haben wir eine Menge Erkenntnisse für nächste Missionen“, freute sich der Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Johann-Dietrich Wörner, und gratulierte dem sonst in Eschweiler bei Aachen stationierten Knickel per Handschlag.

Die erste reale Marsmission steht nach gegenwärtigem Stand der Planung für 2030 auf der Agenda. Schon Ende dieses Jahres soll daher – ebenfalls in Moskau und im gleichen Modul – Mars 500 anlaufen, ein Versuch, bei dem eine neue sechsköpfige Crew Flug und Arbeit auf dem Roten Planeten in Echtzeit erlebt. 520 Tage sind dafür angesetzt. Psychologen schwärmen bereits von Idealbedingungen zum Studium der Gruppendynamik in extrem langen Zeiträumen.

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