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Panorama: Reges Leben unterm alten Kanzleramt

Bonner Archäologen gewinnen in Bonn sensationelle Einblicke ins antike „städtische Flair“ der Römer

Bonn - Archäologen sind in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn sensationelle Einblicke in die Antike gelungen: Seit Mai buddeln sie im freigelegten ehemaligen Bonner Regierungsviertel nach den Überresten eines römischen „vicus“, einer Stadtsiedlung, die von den Römern vor 2000 Jahren in „Castra Bonnensia“ angelegt wurde. „Wir haben weit mehr gefunden, als wir überhaupt erwartet hatten. So hat sich für uns noch nie das Leben der römischen Bürger am Rhein präsentiert“, verkündete strahlend am Mittwoch der Leiter des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege, Jürgen Kunow.

Als eines der herausragenden Fundstücke zeigte er eine fünf Zentimeter lange Haarnadel aus Knochen mit einem kleinen Menschenkopf an der Spitze. Es sei in dieser Ausführung bisher ein „einmaliger Fund in Deutschland“, berichtete er.

Die Gelegenheit für die aufsehenerregenden Entdeckungen hat sich durch den Ausbau Bonns zum deutschen Standort der Vereinten Nationen ergeben: Bagger haben für den Bau des UN-Kongresszentrums eine vier Fußballfelder große Fläche freigeschaufelt.

Im Jahre 13 vor Christus hatte Kaiser Augustus seinem Sohn Drusus den Befehl gegeben, 50 Kastelle am Rhein entlang zu errichten. Den Legionären folgten die Siedler, die sich auch in Bonn mit Handwerkern, Händlern und Künstlern niederließen. Sie lebten getrennt von den Soldaten, deren Lager sich in der jetzigen Bonner Altstadt befand.

Die Archäologen sind begeistert vom „städtischen Flair“ der alten Siedlung beim ehemaligen Kanzleramt, mit dem die Römer auch „jedem Germanen auf der anderen Rheinseite demonstrierten, welche zivilisatorische Kraft hinter römischer Urbanität steht“, wie Kunow sagt.

Beheizte Thermen, Ziegelbrennöfen, Geschäfte und Häuser zur Begegnung der Bürger zeichneten den „vicus“ aus. Zur eigenen Überraschung stießen die Wissenschaftler sogar auf einen kleineren Tempel und die Reste einer rätselhaften „monumentalen Anlage“ von wahrscheinlich zwei Stockwerken Höhe. Durch die Siedlung zog sich eine längere Wasserleitung.

Zu den entdeckten Stücken gehören Küchengeschirr, Gefäße und ein Becher aus dem dritten Jahrhundert mit einer lateinischen Aufschrift: „Benutze dieses Gefäß glücklich.“ Ein gut erhaltener Teller aus Ton trägt einen Fabrikationsstempel und den Namen des Töpfers „Vitalis“. Eine Bronzemünze trägt den Kopf von Kaiser Hadrian. Der Wissenschaftler Peter Henrich berichtet von der guten „Ausbeute“ der Latrinen und Müllhalden: „Daraus können wir genaue Erkenntnisse über die Ernährungsgewohnheiten der Römer gewinnen.“ Ein Stück einer Schale ziert eine erotische Szene mit vier Menschen – „nicht jugendfrei“, meinte Henrich.

Erst später unter die Erde gekommen sind Stahlhelme von Wehrmacht und US-Armee, Werbematerial der CDU vom 15. September 1957 und eine Lautsprecheranlage des alten Bundestages. ddp

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