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Mosambik

© laif

Mosambik: Am Riff der guten Hoffnung

Der Norden Mosambiks ist authentisches Afrika. Auf Koralleninseln leben Einheimische und Gäste. Elefanten haben Zutritt.

Da ist ja wieder eine! Von der kleinen Strandvilla aus sind die altertümlich anmutenden Dhaus gut zu erkennen. Sie ziehen vereinzelt, meist in Ufernähe, ihre Bahnen durch den Indischen Ozean. Besonders schwer ist die Ladung allem Anschein nach nicht. Doch brisant soll das Stückgut sein. Drogen!, wispert man auf Matemo Island. Sie holen angeblich den Stoff oben in Tansania und bringen ihn nach Südafrika. Da sitzt man nun an einem herrlichen Strand und hört von Einheimischen solche Geschichten… Ja, Gold, Elfenbein, Sklaven – das verruchte, einträgliche Handelsgut vergangener Tage in der Region ist bekannt. Araber hatten ihre Fracht bereits im 6. Jahrhundert in ähnlichen Schiffen entlang der Küste Südostafrikas transportiert. Jetzt also Drogen? Gewiss, undenkbar ist nichts, doch man darf sagen: Die meisten Dhaus sind gewiss mit legaler Fracht von Insel zu Insel zum Festland unterwegs. Und manchmal haben sie auch Touristen an Bord. Die sind jedoch selten. Denn dieser Fleck, der Archipel der Quirimbas im Norden Mosambiks, ist bisher eher unbedeutend auf der touristischen Landkarte.

„Klar, es wird immer schwieriger, Plätze wie diesen zu finden“, sagt Penni Korb. Die Südafrikanerin managt das Matemo-Island-Resort. Hier sind neben einer geduckten Lodge in gutem Abstand zueinander 25 äußerlich schlicht erscheinende Strandchalets mit jeglichem Komfort entstanden. „Unser Gast sucht vor allem drei Dinge: Ruhe, Ruhe und Ruhe.“ Die findet er, keine Frage. Gleichzeitig begegnet er jedoch auch schönen Tauchrevieren mit intakter Korallenwelt und allen Fischen, die man sich so wünscht – und mancher Taucher sehnt ja die Begegnung mit Hai und Rochen geradezu herbei.

Die Managerin versichert, sie empfinde es als Privileg, ein Fleckchen Erde wie die Quirimbas zu erleben, bevor es touristisch voll entwickelt ist. Zahlenmäßig hält sich die Gästeschar tatsächlich noch in sehr engen Grenzen. Und es geht zivilisiert zu. Jedwede Art von Remmidemmi fehlt. Ein Luxusgetto? Penni Korb lacht: „Luxus haben wir, keine Frage. Doch hier ist niemand eingesperrt. Im Gegenteil. Wir teilen uns ja die kleine Insel mit den Einheimischen, die schon seit Ewigkeiten auf Matemo leben. Und es ist ein gedeihliches Miteinander, weil wir von ihnen und sie von uns profitieren.“ Klingt fast wie ein Sozialprojekt. „Nicht wirklich, aber unser Chef ist froh, wenn sich das Haus trägt und wir Hilfe leisten können.“

Der „Chef“ ist Scheich Adel Aujan. Unternehmer aus Dubai, mit seinem Konzern Rani International milliardenschwer geworden durch den Verkauf von Brausewasser in Saudi Arabien und Immobilien rund um den Golf. Bisher hat er etwa 150 Millionen US-Dollar in verschiedene Resorts im bettelarmen Mosambik gesteckt. Doch nicht allein zum Wohl der Gäste, wie bald zu sehen ist. „Gehen Sie ins nächste Dorf, dort werden Sie freundlich empfangen und ein authentisches Stück Afrika erleben“, rät Frau Korb.

Wir ziehen los. In Begleitung von Eliseu („Iso“). Der stammt von der Insel – und hat enorm Karriere gemacht. Er arbeitet für das Resort, ist so eine Art Verbindungsmann zwischen Einheimischen und dem Scheich höchstselbst, der sich mit seinem Engagement im ohnehin leicht muslimisch geprägten Nordmosambik vielleicht auch auf einer Art Mission befindet.

Die für europäische Besucher archaisch anmutenden Zustände im Dorf verhehlt Iso keineswegs. Polygamie sei üblich, Familienplanung nicht. Entsprechend viele Kinder gibt es. Und die sind angesichts der Fremden außer Rand und Band. Endlich mal was los! Und – haha – sehen diese Weißen nicht komisch aus? Während sich die Kinder amüsieren, sind ihre Väter damit beschäftigt, Dächer mit Palmblättern zu decken, Netze zu flicken oder ein Boot zu bauen. Die Mütter andererseits haben alle Hände voll zu tun, die Kinder zu bändigen und gleichzeitig dem nachzukommen, was bei uns früher als „hausfrauliche Pflichten“ bezeichnet wurde: kochen, putzen, Wäsche waschen. Alles in gemächlichem afrikanischen Tempo wohlgemerkt. Iso, eine Art Superstar im Dorf, lächelt dazu. Er selbst hat inzwischen gelernt, eine andere Gangart vorzulegen. „Doch gelegentlich lasse ich mich in den Rhythmus meines Dorfes zurückfallen. Das ist dann die pure Erholung für mich.“

Seit dem Bau des Resorts, an dem viele Einheimische mitgewirkt haben, hat sich einiges geändert im Dorf. Der vom Scheich unterstützte Kampf gegen Malaria und Aids zeitigt Erfolge. Hatten sich die Bewohner über Jahrhunderte an das Brackwasser auf der Insel ohne Quelle gewöhnt, können sie heute frisches Nass aus der Meerwasserentsalzungsanlage des Hotels schöpfen. Es gibt eine Schule, einen kommunalen Gemüsegarten, ein neu gebautes Gemeinschaftszentrum, Hunderte von frisch gesetzten Avocado- und Mangobäumen sowie, nicht zuletzt, eine Moschee. Auch ein kleines Krankenhaus plant der gute Scheich.

Die Quirimbas bestehen aus mehr als 30 Koralleninseln, die in den vergangenen hundert Jahren weitgehend sich selbst überlassen waren. Nur wenige der unter dem Schutz der Unesco stehenden Inselchen sind überhaupt bevölkert. Ein abgeschiedenes Stück Afrika. Gleichwohl findet der Gast auf den „Hotelinseln“ Matemo, Vamizi, Quilaea und Medjumbe jedweden Komfort. Und es sei auch gesagt: zu einem entsprechenden Preis.

Wen es nach Matemo der Ruhe wegen verschlägt, der sollte sich doch einen Tag aufrappeln und nach Ibo übersetzen. Hier eröffnet sich ein aufschlussreicher Blick in die Geschichte der Region. Ibo Island wird nicht ohne Grund als „Gespensterinsel“, die gleichnamige Stadt als „versunkene Stadt“ bezeichnet. Die Atmosphäre ist unwirklich. Unter portugiesischer Herrschaft war Ibo im 18. Jahrhundert ein Zentrum des ostafrikanischen Sklavenhandels. Das 1754 erbaute Fort ist in der Substanz angegriffen, aber sehenswert, und als weitere stumme Zeugen der Zeit stehen auch die Kirche von 1752 und das alte Rathaus. An einer vormals gewiss prachtvollen Straße reihen sich koloniale Villen aneinander – allesamt seit dem sozialistischen Spuk im Besitz der Regierung, heute unbewohnt, desolat. Dieses einmalige Architektur-Ensemble steht bereits auf der Merkliste der Unesco, die Aga-Khan-Stiftung engagiert sich mit Mikrokrediten und an einigen wenigen Gebäuden wird tatsächlich gearbeitet. Die 4000 Menschen, die nahezu unsichtbar in der Stadt wohnen, leben vom Fischfang.

Nach so viel Ausspannen und Geschichtsunterricht, soll ein Abstecher in ein anders gefärbtes Abenteuer die Reise abrunden. Mit einem kleinen Flieger geht es über die Stadt Pemba auf dem Festland schnurstracks gen Westen. Ziel: der Niassa Nationalpark, 42 000 Quadratkilometer groß, im äußersten Norden von Mosambik. „Unberührtes Afrika“ wird den Touristen versprochen. Nicht zu Unrecht. Zwar hatte der Wildbestand im Bürgerkrieg zwischen 1976 und 1992 stark gelitten, doch Schutz und Natur haben obsiegt. Der Elefantenreichtum ist heute legendär, und auch Flusspferd, Antilope, Büffel, Leopard und Löwe sind in freier Wildbahn anzutreffen.

Ganz entspannt hat es sich der neue Gast – Drink in der Hand – auf seiner Liege vor der Lodge gemütlich gemacht. Ah jaaa, endlich Safariland, mag er denken. Der gute Mann lässt den Blick über das derzeit nahezu ausgetrocknete Flussbett des Lugenda bis weit in die Savanne schweifen. Vereinzelte Baobab-Bäume recken sich gegen den blauen Himmel, Geier kreisen, während ein Dutzend Antilopen die Böschung zum verschwundenen Fluss hinabspringt. Vom Kochhaus her weht ein exotischer Duft, der verheißungsvoll das Abendessen ankündigt – ja, so lässt sich das Safarileben genießen. Allein, das Greenhorn bekommt unvermittelt und sehr deutlich zu spüren, dass er im Busch bestenfalls geduldet ist.

Der ausladende, schwere Sonnenschirm gerät plötzlich ins Wanken. Wie jetzt? Der Tourist erwacht aus seinem afrikanischen Traum und erstarrt zugleich. Wie jeden Tag stattet Elefantenbulle „Ben“ auch heute der Lugenda-Wilderness-Lodge einen Besuch ab. Angelockt von den reifen Früchten mächtiger Maulbeerfeigenbäume erscheint der graue Riese wie aus dem Nichts. Die Annäherung war nicht zu hören. Ben bewegt sich langsam und bedächtig. Die Holzterrasse mit eingelassenem Pool ist im Schatten der Feigenbäume angelegt – mitten in Bens Revier. Der Winzling dort auf der Liege – ein Ärgernis für den Dickhäuter.

„Ganz ruhig bleiben, auf die Holzdielen traut er sich nicht.“ Linda Cloete eilt aus der nahen Lodge. Die Niederländerin managt das Camp gemeinsam mit Ehemann Douw. Sie kennen Ben schon. Wieder stößt der Dickhäuter mit der Stirn den Schirm, dann hebt er das schwere Teil gar mit den Stoßzähnen an. „Okay Ben, das reicht.“ Jetzt klingt Linda besorgt. Die angelegten Riesenohren klappt Ben noch ein paarmal vor und zurück, dann wendet er sich – endlich – den herabgefallenen Feigen zu. „Wahrscheinlich wollte er nur spielen“, beruhigt sich der kreidebleiche Gast.

„Wir sind hier tief im Busch“, sagt Andrew später, einer der Guides im Camp, „in der Wildnis, im Reich der Tiere. Hier ist der Mensch bestenfalls zu Gast.“ Und damit das auch jeder versteht, gibt es eine Campordnung: kein Herumstrolchen auf eigene Faust. Den kurzen Weg vom (luxuriösen) Safarizelt zur Lodge nur bei Tageslicht allein zurücklegen, jedoch nicht ohne vorher genau die Lage gepeilt zu haben. Nach Sonnenuntergang nur in Begleitung eines bewaffneten Rangers gehen. Schilderungen von Leoparden, Löwen und lauffreudigen Nilpferden, die vorzugsweise in der Dämmerung schon mal durchs Camp streifen, sollen unterstreichen, wie ernst die Lage in der Wildnis werden kann.

Wer das alles für Buschlatein hält, wird sich am nächsten Tag vom Gegenteil überzeugen können. Vorn auf dem Jeep sitzt ein einheimischer Späher und Spurenleser, das schwere Gewehr liegt griffbereit vor dem Fahrer. Andrew bremst, steigt aus, umkringelt auf dem sandigen Pfad einen Abdruck. „Ganz frisch, ein Löwe.“ Unsicher lassen die Teilnehmer der Buschsafari den Blick wandern. Andrew schaut zum Himmel. „Nein, die Sonne steht schon zu hoch. Der liegt jetzt irgendwo im Gebüsch und ratzt.“ Geschichten über Löwen, die bereits 32 Menschen in dieser Gegend getötet haben, erzähle man sich jedoch nur auf Matemo, sagt Andrew lachend. Vorbei an mächtigen Termitenhügeln holpert der Jeep weiter durch den Busch. Kurz mal abgebremst für ein paar rasende Warzenschweine, und weiter zu einem Fluss, wo Fischer ihr Camp aufgeschlagen haben. Inklusive rudimentärer Räucherkammer. Bei ihnen herrscht Aufregung. Ein Flusspferd habe am Morgen einen von ihnen verfolgt und dabei im Camp mehrere Zelte eingerissen. Doch es sei alles glimpflich abgelaufen. Kaum zu glauben, wenn man jetzt die Tiere mit den putzig aus dem Wasser ragenden Ohren so beobachtet.

„Keine Buschfahrt ohne Sundowner.“ Da ist Andrew unerbittlich. Und er packt entsprechend aus: weiß gedecktes Tischchen, Kristallgläser, Eis, Limonen, Gin und etwas Tonic. „Muss sein.“ Äh, und die nahen Flusspferde? „Die kommen um diese Zeit noch nicht aus dem Wasser. Ganz sicher.“ Na dann, auf Afrika.

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