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Am Taj Mahal.

© Christina Franzisket

Indien-Blog (3): Touristenfallen in Jaipur

1500 Kilometer will Christina Franzisket gemeinsam mit einer Freundin durch Indien reisen, um den Mythos des Ganges zu ergründen. In ihrem Blog berichtet sie von ihren Abenteuern. Diesmal: Von Jaipur und dem Taj Mahal.

Am Morgen holt uns Sanjay, unser Begleiter und Fahrer für die nächsten Tage ab. Er ist ein ungewöhnlich großer, breit gebauter Mann mit einem weichen, liebevollen Lächeln. Mit ihm fahren wir nach Jaipur, er wird uns die rosarote Stadt und einen Affentempel zeigen. Nach vier Stunden in Sanjays eisgekühltem Auto haben Susanne und ich uns eine fette Erkältung eingefangen. Den nächsten Tag verbringen wir im Bett, gurgeln Salzwasser, und der besorgte Sanjay kauft Tabletten gegen Halsweh und Husten. Einen kurzen Ausflug auf die Straßen Jaipurs wagen wir dennoch.

Dicht hintereinander schieben wir uns am Straßenrand entlang, die wild hupenden Fahrzeuge sausen nur knapp an uns vorbei. Es gibt keinen Bürgersteig. Es stinkt bestialisch nach vergammelten Lebensmitteln und Kot – von Mensch und Tier.

Wir müssen über Müllberge stapfen, auf denen Kühe, Hunde und Menschen letztes Verwertbares suchen. Eine Schar quasselnder Rikschafahrer und bettelnder Kinder hat sich an uns gehängt. Ich trete in einen Kuhfladen und wir flüchten wieder in die Ruhe unseres Hotelzimmers. Auch die berühmten rosaroten Häuser in Jaipurs Altstadt können uns nicht mehr für diesen Ort begeistern.

Sanjay fährt mit uns, dieses Mal ohne Klimaanlage in Richtung Agra. Auf dem Weg halten wir noch einmal an. Verborgen in Mitten des Dschungels, umrahmt von bewaldeten Bergen liegt der "Monkey-Tempel", der dem Hindu-Gott Hanuman gewidmet wurde. Ein alter Mann kommt uns entgegen: "Guide, guide", sagt er mit einem zahnlosen Lächeln. Er möchte uns den Tempel zeigen und dafür Geld bekommen. Ich nehme ihn gern mit, denn er eignet sich herrlich als Fotomodel. Er ist in ein schmutziges weißes Laken gehüllt und stützt seinen runzeligen und buckligen Leib auf einen Stock.

"Monkey, monkey!"
"Monkey, monkey!"

© Christina Franzisket

Strahlend geht er voran und dreht sich unaufhörlich zu uns um: "Monkey, Monkey", ruft er und zeigt auf die wilden Affen, die hier auf den Tempelgelände zu hunderten leben. Es sind Makaken, eine weit verbreitete Art in Indien. Der Alte zeigt auf die Türme, die an den Berghängen liegen: "Shiva, Brahma, Vishnu, Hanuman – Temple", sagt er und damit haben sich seine Englischkenntnisse bereits erschöpft. Dafür ist seine gute Laune umso ansteckender. Mit Erdnüssen wollen wir die Affen anlocken, um sie ganz aus der Nähe zu sehen. Doch die Schlauen haben gleich erkannt, dass die Tüte mit den Nüssen aus Zeitungspapier ist: Ein gezielter Griff und die Beute kullert auf den Boden. Sogleich stürzt sich die Meute darauf und ich stehe angeschmiert da.

In Agra angekommen, empfängt uns der gleiche Lärm und Dreck wie in Jaipur. Ein Rudel Schweine wühlt in einem Müllberg, daneben wird auf der Straße das Mittagessen zubereitet. Hupen, Rauschen, Rattern, das ständige Gequatsche unserer Begleiter auf der Strasse, die an uns ihr Geld verdienen wollen, macht uns zu schaffen. Nur in unserem Zimmer finden wir Ruhe und hier auch nur, solange wir die Klimaanlage ausgeschaltet lassen. Unser Hotel ist eher gehobener Standard. Wir zahlen zwanzig Euro für ein Doppelzimmer mit Klimaanlage und Kaltwasserdusche. Die Einrichtung ist spärlich, die weißen Laken fleckig, wie überall. Doch es stinkt nicht, es ist leise, wir finden Ruhe. Am nächsten Morgen brechen wir bereits um halb sechs auf. Es dämmert und auf der Straße schlafen noch Menschen, neben Kühen, Hunden und Müllhaufen. Einige sind bereits erwacht, kochen Chai, den indischen Tee, oder putzen sich mit einem Finger und etwas Wasser die Zähne. Hinter Büschen, die nur spärlich bedecken, verrichten sie ihr Geschäft.

Wir wollen zum Taj Mahal. Wir spazieren durch einen großen Park bis hin zum Eingang des berühmtesten Monuments Indiens. Wir kaufen ein Ticket, 750 Rupien für Ausländer, etwa 18 Euro, 10 Rupien für Inder. Auf dem Weg hinein möchten etwa dreißig Eifrige unser Führer sein und ihren auswendig gelernten englischen Text über die Geschichte des Taj Mahals herunterbeten. Wir schütteln sie ab, treten durch ein beeindruckend großes Eingangstor und sehen es. Tausend Mal habe ich das Mausoleum bereits auf Bildern gesehen und erwarte nicht viel. Eben ein bedeutendes Monument, was man mal gesehen haben sollte. Doch Susanne und ich stehen schweigend nebeneinander. Der Anblick dieses Gebäudes, das da steht, wie ein Luftschloss aus Wolken, eierschalenfarben erscheint so unfassbar, als könne ich mit meiner Hand hindurch fahren.

Links und rechts neben dem Taj Mahal stehen aufwändige und riesige Gebäude, mit Zwiebeltürmen. Doch sie sind aus rotem Sandstein und somit viel realer, härter, greifbarer, als das helle, aus Marmor gebaute Taj Mahal. Wir suchen uns einen ruhigen Platz und sehen den Sonnenaufgang. Mit uns sind etwa dreihundert andere Touristen und Einheimische auf dem geometrisch perfekt angelegten Platz. Wir fragen uns, warum wir eigentlich keine Fotos aus dem Inneren des Tal Mahals kennen und gehen hinein.

Im Inneren ist es dunkel, zwei Särge stehen in der Mitte, um sie ein verspieltes, künstlerisches Gitter aus Marmor. Doch mehr gibt es nicht zu sehen. Zwanzig Jahre dauerte der Bau des Taj Mahals. Ein Großmogul ließ es für seine große Liebe bauen.

Am Nachmittag bekommen wir von unserem Hotel einen Tuktuk-Fahrer vorgesetzt. Er werde uns alles zeigen, was wir wollen, heißt es. Sobald wir auf seiner Rückbank sitzen, sagt er, er hätte eine Überraschung. Kurze Zeit später finden wir uns in einem völlig menschenleeren, klimatisierten Verkaufsraum eines Webergeschäftes.

Etwa fünf Verkäufer springen auf und sehen uns erwartungsvoll an. Wir wollen nichts kaufen, vor allem kein Bild, das aussieht, als hinge es seit Nachkriegszeiten bei meiner Oma an der Wand. Und dann noch zu Unsummen. Schnell weg hier. Ich erfinde eine Ausrede: wir seien beide Journalisten und wollen über dieses bemerkenswerte Handwerk schreiben. Für eine deutsche Zeitung. Ich mache entschlossen ein paar Fotos und bewundere die eingestaubte Auslage. Freudig, der Auserwählte zu sein, schreibt der Chef mir seine Adresse und Telefonnummer auf. Ohne große Peinlichkeiten, dass wir kein Geld hier lassen, können wir fliehen. Wir sagen unserem Rikschafahrer, dass es keine gute Überraschung war und wir nichts kaufen wollen. Er hat eine neue Idee. Wir sind voller Hoffnung und stehen vor dem nächsten Geschäft. Jetzt wollen wir wieder zurück ins Hotel.

Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von dem treuen Sanjay. Denn ab jetzt reisen wir mit dem Zug weiter. Unsere nächste Station ist Jhansi, von dort aus wollen wir den Kamasutratempel in Khajuraho besichtigen. Wir hoffen, dass wir dort endlich den Touristenfallen, die bis jetzt überall lauerten entfliehen können.

Christina Franzisket

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