zum Hauptinhalt
Bayern

© dpa

Die Schlösser von König Ludwig II.: Pomp in der Hütte

König Ludwig II. ließ sich drei prächtige Schlösser bauen – und einen rustikalen Sommersitz.

Drei Schlösser hat er gebaut, die deutsche Fremdenverkehrswerbeplakate zieren und die jeder Globetrotter zwischen Chicago und Nagasaki kennt : Herrenchiemsee, Linderhof und Neuschwanstein. Doch Ludwig II., bauwütiger und verschwendungssüchtiger bayerischer Monarch, konnte auch bescheidener sein. In der Alpenwelt weit oberhalb von Garmisch schuf sich der Märchenkönig ein kleines Refugium, das äußerlich eher einem bürgerlichen Wochenenddomizil ähnelt denn einem Herrschersitz: Das Königshaus auf dem Schachen. Es ist ein kleiner Edelstein, den nur wenige kennen. Wahre König-Ludwig-Treue pilgern am 25. August, dem Geburtstag des „Kini“ , nicht zu den von Touristen belagerten Schlössern, sondern auf die majestätische Hütte am Schachen. Dort wird zu Ludwigs Seelenheil eine Messe gelesen.

Das Schachen-Haus ist offiziell nur eine von rund zwanzig „Jagdhütten“ der einstigen Wittelsbacher-Dynastie, in Wahrheit aber eine raffinierte Mischung zwischen rustikaler Schlichtheit und – gut verstecktem – Pomp. Das als Hütte verkappte Schlösschen ist gleichermaßen für Ludwig-Fans wie für Naturliebhaber immer noch ein Geheimtip mit garantierter Exklusivität. Weder Sessellift noch Drahtseilbahn können als Aufstiegshilfe zum auf knapp 1900 Meter Höhe gelegenen Königshaus dienen. Hierher kommt kein Autofahrer und Busbenutzer, sondern nur der Bergwanderer. So als wolle sich wenigstens am Schachen der Geist des menschenscheuen Ludwig II. die Massen vom Leib halten – oder als solle sich leicht abgewandelt der Spruch von Revoluzzerliterat Georg Büchner bewahrheiten: Friede den Berghütten, Krieg den Tourismuspalästen.

Am einfachsten ist der Aufstieg von Elmau aus, einem Hochtal unter der Wettersteinwand. Stetig führt der Waldweg bergan, der eigens für Ludwigs Hüttenbau angelegt wurde. Bayerns König ließ sich gern hinaufkutschieren. Heute benutzen nur ein paar Geländewagen der Forstverwaltung den zuweilen recht holperigen Dienstweg. Und etliche Mountainbiker, die keuchend vorbeitrampeln, ohne der Naturszene mit rauschendem Wildbach und blühendem Almrausch viel Aufmerksamkeit widmen zu können.

Ein Wildgatter markiert den Eintritt in eine Naturschutzzone. In engen Serpentinen geht es kräftezehrend höher, so dass der Wanderer Mitleid mit den Ponys bekommt, die Majestäts Wagen ziehen mussten. Die Mühsal lohnt sich für die Zweibeiner: Nach der letzten Kurve im Wald öffnet sich das Panorama mit den Voralpenbergen zur Rechten, dem Garmischer Tal und dem Zugspitzmassiv in der Mitte. Und ins Bild rückt auf einer Wiesenkuppe zur Linken ein zweistöckiges Holzhaus – geschickt platziert, aber alles anderes als aufdringlich: Das Königshaus auf dem Schachen.

Hier, im kleinsten seiner Fantasienbauten, ist vielleicht am meisten von Ludwigs Persönlichkeitsspaltung zu spüren. Denn drunten im Erdgeschoss wirkt alles zweckmäßig , bodenständig, funktionsgerecht. Mit einheimischem Zirbelholz sind die Wände getäfelt. Aus Eichenholz geschreinert sind das einfache Bett im Schlaf- und der Schreibtisch im Arbeitszimmer. Hier hat die Nr. 1 des bayerischen Staates – ganz normal – ihre Dienstgeschäfte erledigt, die Post, die per Eilkurier aus München kam, gelesen und die Akten abgezeichnet.

Die Welten werden erst ein Stockwerk höher im wahrsten Wortsinne ver-rückt. Hinauf geht es über eine enge Wendeltreppe – dann ändert sich das Bild wie auf einer Drehbühne. Das gesamte Obergeschoss wird von einem exotisch anmutenden Saal eingenommen. Die Wände sind in Gold getaucht, ringsum laufen gepolsterte Sitzbänke, ein bombastischer Lüster hängt von der sternenübersäten Decke. Riesige Fächer aus Straußenfedern stehen am Rand, und in der Mitte des Raumes ein orientalischer Springbrunnen. Bunte bleiverglaste Fenster erzeugen märchenhafte Lichtstimmungen.

Es ist eine Zauberwelt aus „Tausendundeinernacht“, dieser „türkische Saal“, den sich Ludwig in Bayerns Bergen baute. Er nutzte ihn Ende August jedes Jahr etwa zehn bis zwölf Tage, um ohne Gäste, nur im Gefolge seiner in passende Gewänder gesteckten Dienerschaft orientalischen Träumen nachzuhängen. Pfauenfächer, Pomp und Pluderhosen kamen – verglichen mit der Wagner-seligen Gralsburg von Neuschwanstein oder dem Neo-Versailles von Schloss Herrenchiemsee – noch vergleichsweise billig: Nur 45 000 Goldgulden habe das Königshaus auf dem Schachen gekostet, sagt die Führerin. Für seine Prachtpaläste gab Ludwig Millionen aus. Und ruinierte dabei seine Finanzen – ein wesentlicher Grund dafür, dass er entmündigt wurde, seinen Thron verlor und unter noch immer nicht geklärten Gründen auch das Leben.

Bolke Behrens

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false