zum Hauptinhalt
Niki de Saint Phalle hat auch das Werk „Femme Allongée Jaune“ – neben vielen anderen – dem Sprengel Museum geschenkt.

© bpk, Herling/Gwose, Sprengel Museum Hannover

Sprengel Museum Hannover: Träumereien mit Strandtuch

Die Ausstellung „Auszeit“ in Hannover zeigt Bilder zu Urlaub und Müßiggang. Insgesamt 110 Werke - darunter Grafiken, Fotografien, Malereien, Skulpturen und Videoarbeiten - gehören zur Sammlung.

Eine junge Frau liegt nackt auf dem Strandtuch, lässige Haltung, gedankenverlorener Blick. Neben ihr eine Katze mit gespitzten Ohren und wachen Augen. „Akt mit Katze am Strand“ nennt der Maler Max Beckmann dieses 1928 geschaffene Bild, auf dem ihm vermutlich seine Ehefrau Mathilde von Kaulbach als Modell diente, mit der er im selben Jahr den Urlaub im niederländischen Scheveningen verbracht hatte. Eines von insgesamt 110 Werken, die in der Ausstellung „Auszeit. Vom Faulenzen und Nichtstun“ im Sprengel Museum Hannover gezeigt werden – Grafiken, Fotografien, Malereien, Skulpturen und Videoarbeiten.

Beckmanns Motiv des weiblichen Aktes, ausruhend oder schlafend, taucht auch auf den ausgestellten Bildern von Künstlern wie Franz Marc, Pablo Picasso oder Ernst Ludwig Kirchner auf. Dabei sind es in der Ausstellung nicht zuletzt auch oft die unbekannteren Namen, deren Arbeiten zum Thema Müßiggang besonders auffallen. Die Radierung „Der Einsame“ von Arthur Kampf beispielsweise, aus dem Jahre 1902. Ein etwas ärmlich wirkender Mann schaut auf die badenden und lachenden Frauen im Meer. Urlaub und Badevergnügen ist schließlich zu dieser Zeit nur etwas für die Wohlhabenden.

Vom Fotografen Heinrich Riebesehl wird die Serie „Unterwegs in fremden Betten“ gezeigt – Aufnahmen mit leicht ironischem Anflug von Übernachtungen unter anderem in der Pension Lützow in der Berliner Kantstraße in den 70er Jahren: mit geblümten Tapeten, großen Leuchtern und akkurat gemachten Doppelbetten. Der DDR-Maler Wolfgang Mattheuer ist mit einer vor der Wende gefertigten Lithografie vertreten – ein Paar in Badebekleidung schaut zum Betrachter, auf dem Tisch liegt ein Brotlaib, auf der Erde steht die Flasche Bier, daneben liegen die Federballschläger, links ragt ein Trabi ins Bild hinein, eine kleine weiße Fahne ist gehisst, im Hintergrund schimmert das Meer. Der Ausschnitt ist so gewählt, dass der Eindruck einer Insel entsteht.

Bilder vom Massentourismus finden sich nur selten. Bei Harald Duwes „Sonnenbad“ von 1975 wird das Thema angedeutet: Man sieht lediglich eine liegende unbekleidete Frau, die den Arm als Sonnenschutz über die Augen gelegt hat, umgeben von einem hohen Sandwall, mit dem sie ihr Strandrevier abgegrenzt hat.

Es wird gedöst, geträumt und gelesen

Damit es nicht zu idyllisch zugeht, setzt die Ausstellungskuratorin Dörte Wilke auf Kontraste. Neben dem großen bunten Werbeplakat für Sommerferienhäuser aus dem Jahre 1915 hängen Fotos von Walter Ballhause aus den 30er Jahren, die schlafende Arbeitslose auf dem Gehweg zeigen. Sie haben mehr Freizeit, als ihnen lieb ist – von Urlaub können sie nur träumen, ohne geregelte Arbeit keine Entspannung und Erholung.

Anderen fehlt genau diese Zeit. „Auszeit, Leerlauf, Langeweile sind ganz zentrale Momente in der Kunst. Uns Museumsleuten geht es wie vielen anderen – wir sehnen uns nach einer Auszeit, in der man einfach seinen Interessen folgen kann“, sagt Museumsleiter Reinhard Spieler.

Fast allen Bildern gemein ist, dass sie keine Aktion darstellen – es wird am Meer nicht gespielt, getaucht und gewandert, sondern gedöst, geträumt und gelesen. Sie vermitteln eine Ruhe, die viele Maler selber gesucht haben, um sich ganz auf ihre Kunst konzentrieren zu können. So berichtet Maria Marc vor rund 100 Jahren über ihren Mann Franz: „Er hoffte immer einen stillen, ganz abgelegenen Platz zu finden – wo er, womöglich dauernd – ganz zurückgezogen leben konnte, fern von alledem unerquicklichen, unkünstlerischen Betrieb des damaligen München… Er ahnte auch, dass auf all den bergigen Wiesen im Sommer u. Herbst das Vieh – die Pferde weiden würden, und er war voller Mut, Freude und Hoffnung für seine Arbeit.“

Spätestens beim größten Werk im letzten Raum kann der Betrachter selber zur Ruhe kommen – in einer Videoinstallation von Piero Steinle krault ein Schwimmer langsam durchs Bild, dazu gibt es meditative Klänge von John Cage. Bleibt die Frage nach dem Gemütszustand des Besuchers beim Verlassen des Museums: erholt oder urlaubsreif?

Die Ausstellung ist noch bis zum 30. August zu sehen. Öffnungszeiten: Montag geschlossen, Dienstag von 10 bis 20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr; Eintrittspreise: sieben Euro, ermäßigt vier Euro, Freitags freier Eintritt. Im Haus ist ein Restaurant, das frische Küche mit italienischem Akzent bietet. Sprengel Museum Hannover, Kurt-Schwitters-Platz; Telefon: 05 11 / 16 84 38 75, im Internet unter: sprengel-museum.de

„Hellebardenträger“, Statue des US-Künstlers Alexander Calder vor dem Museum

© Achim Gaasterland/Laif

Joachim Göres

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false