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© Mauritius

Ferien: Ein Sommer für alle Sinne

Die großen Ferien sind da, der Stress fällt ab. Urlaub! Ob zu Hause oder in der Ferne - erleben lässt sich überall etwas. Wie die Literatur beweist.

Ferien! Endlich Ferien! Während die Schüler in einigen Bundesländern noch länger auf ihr Zeugnis warten müssen, machen sich die in Berlin und Brandenburg in diesen Tagen auf in die Welt. Wer kennt es nicht, dieses befreiende Gefühl, wenn man über den Schulhof geht, die Lehrerin, den Lehrer, den Hausmeister und alle langweiligen Unterrichtsstunden hinter sich lässt. Zu Hause fliegt die Schultasche in die Ecke und wird mindestens sechs Wochen lang nicht angerührt. Ob es nun an die Amalfiküste geht oder in die Alpen, an den Baggersee oder nach Balkonien: Alles ist möglich.

So wie Melcher wird es in den kommenden Tagen und Wochen vielen gehen: Aufgeregt wie ein Kind am Heiligabend steht er an Bord der Fähre, die ihn mit seinen vier Kindern nach Saltkrokan bringt. Vor 45 Jahren erschien Astrid Lindgrens „Ferien auf Saltkrokan“ (Oetinger) zum ersten Mal, und das Buch um Pelle, Tjorven, Stina, den Hund Bootsmann und wie sie alle heißen war ebenso wie die Fernsehsendung bald Kult. Man fühlt den Sommer mit allen Sinnen, riecht das Salzwasser, den Duft der geräucherten Fische, spürt den Wind in den Haaren. „Jeder Tag ein Leben“, sagt Melcher gerne. Kann man sich schönere Ferienbücher wünschen als solche, die von Abenteuern und von Glück und Liebe erzählen? Und davon, dass man sich keine Angst einreden lässt vom Leben?

„Die Penderwicks“ von der Amerikanerin Jeanne Birdsall (Carlsen) erschien vor drei Jahren und fängt ebenfalls die Ausgelassenheit eines ganzen Sommers ein. Auch Mr. Penderwick ist alleinerziehend, weil seine Frau gestorben ist, auch er verreist allein mit seinen vier Kindern. Zum ersten Mal verbringen sie ihre Ferien auf dem Grundstück des herrlichen Anwesens Arundel. „Penderwicks, wohin man schaut, wie ein Heuschreckenschwarm“, schon nach kurzer Zeit liegen die Nerven der hochnäsigen Mrs. Tifton blank. Doch am Ende wird alles gut, und der Leser hofft, dass die Penderwicks in den nächsten Ferien wieder nach Arundel reisen.

Unterwegs sein, an einem Ort, davon träumen die Menschen seit eh und je. Diese Sehnsucht fängt schon in der Kindheit an. „Hinter dem unendlichen Nirgendwo, / dort liegt er, der große See Irgendwo, / oh, ganz sicher und bestimmt, / oh, die Winde wehn dort lind und lau, / die Welt erstreckt sich grün und blau. / Ho, wie weit reicht doch dieses Blau.“ Eigentlich fühlt sich der kleine Kröterich zu Hause wohl, doch sein Freund Richard Grashüpfer überredet ihn, herumzukommen in der Welt. Klein- Kröterich macht sich auf den Weg zu dem großen See Irgendwo. Die Schriftstellerin und Übersetzerin Mirjam Pressler hat „Die wundersame Reise des kleinen Kröterichs“ (dtv Reihe Hanser) nach einem Theaterstück des 1981 verstorbenen israelischen Autors Yaakov Shabtai vor Jahren neu erzählt. „Dich hat die Sehnsucht gepackt, junger Freund. Was du empfindest, nennt man Sehnsucht“, weiß Richard. „Sehnsucht ist wie der Wind, der dich ins Glück weht.“ Der kleine Kröterich hat unterwegs viele Abenteuer zu bestehen, doch dann gelangt er tatsächlich an einen herrlichen See, wunderbarer als alles andere, was er bisher gesehen hat. Und wo ist das? Man ahnt es schon. Zu Hause ist es eben doch am schönsten.

Ganz wie in Janoschs Geschichte vom kleinen Bär und seinem Freund, dem kleinen Tiger. „Oh, wie schön ist Panama“ (Beltz & Gelberg) erschien erstmals vor 30 Jahren. Seither hat sich nichts geändert: Wenn man einen Freund hat, braucht man sich vor nichts zu fürchten.

Mit dem Wirtschaftswunder kam Ende der 50er Jahre die Italiensehnsucht. Man reiste mit der Bahn oder mit dem Bus, und wer sich ein Auto leisten konnte, zog häufig mitsamt Wohnwagen oder Zelt los.

Schon bald darauf entwickelte sich der Pauschaltourismus zu einem hart umkämpften Markt. Doch trotz der Fernreisen und Clubanimationen: Für Kinder ist Zelten ein unvergessliches Erlebnis, auch wenn das Zelt nur für ein, zwei Nächte im eigenen Garten steht. Findus, dem Kater vom alten Pettersson, geht es wie vielen Kindern. Er hat noch nie in einem Zelt geschlafen. Klar, dass er das endlich mal ausprobieren muss. „Pettersson zeltet“ von Sven Nordqvist ist im Oetinger Verlag erschienen. Es hat übrigens einen großen Vorteil, wenn das Zelt im Garten steht: Wem es zu ungemütlich oder unheimlich wird, der kann ganz schnell ins Haus und ins Bett schlüpfen. So wie Findus.

Sie sollten in keinem Koffer, in keinem Rucksack fehlen: die Geschichten vom kleinen Nick, der die großen Ferien am Meer verbringt. „Der kleine Nick auf Reisen“ (Diogenes) hat Witz und Tiefsinn zugleich und die Eltern werden sich beim Vorlesen sicher nicht langweilen.

Ob man mit dem Auto verreist, wie die meisten Familien mit Kindern (hat der ADAC herausgefunden), ob man die Bahn nimmt oder das Flugzeug oder ob man den Urlaub zu Hause verbringt, ganz gleich, Hauptsache, auch die Eltern haben genügend Zeit für gemeinsame Unternehmungen und fürs gemeinsame Lesen.

Lesen heißt reisen. Das ist gewiss keine neue Erkenntnis. Hätten wir keine Geschichten, wir würden vieles nicht erfahren, ja nicht einmal erahnen. Lesend sieht und erfährt man die Welt. Man muss mit kleinen Kindern nur Rotraut Susanne Berners „Sommerwimmelbuch“ (Gerstenberg) anschauen, um zu erkennen, welche fabelhaften Möglichkeiten der Sommer auch in der eigenen Stadt und drum herum bietet. Auch natur- und abenteuerhungrige Kinder werden nicht zu kurz kommen.

Ferien zu Hause? Der achtjährigen Tara und ihren Freunden macht das nichts aus. Im „Sommer im Möwenweg“ (dtv junior) erzählt Kirsten Boie von den Abenteuern des Ferienalltags in einer Reihenhaussiedlung am Stadtrand. Man kann Schlammwüste spielen und auf Verbrecherjagd gehen, im Zelt übernachten und picknicken. Fast so wie in Bullerbü.

Glaubt man den Umfragen, verreisen auch heutzutage noch die meisten Eltern mit ihren Kindern innerhalb von Deutschland. Sie erholen sich im Alpenvorland, im Erzgebirge oder am Meer.

„Fuhr man im Urlaub an die Ostsee, regnete es meistens.“ Klar, manchmal geht es einem dabei, wie Nadia Buddes in „Such dir was aus, aber beeil dich!“ (Fischer Schatzinsel) schreibt. Die Berliner Autorin und Illustratorin erzählt und zeichnet für Kinder ab zwölf Jahren und in zehn Kapiteln, wie es in ihrer Kindheit war, damals, als die Sommer noch endlos waren. Eine Mischung aus Comic und Graphic Novel – nicht nur für Regentage.

Was tun, wenn einen die eigenen Eltern auf dem Weg in den Urlaub an der Autobahnraststätte zurücklassen, einen einfach vergessen? Die zwölfjährige Lili bleibt ganz cool und schreibt ihre Erlebnisse in ein Tagebuch. Oder denkt sie sich das alles nur aus, während sie mit Mama und Papa am Strand liegt? Die französische Autorin Valérie Dayre liebt es, ihre Leser mit „Lilis Leben eben“ (Carlsen) aufs Glatteis zu führen.

Und irgendwann ist er da, der letzte Ferientag. Das Zeugnis ist noch nicht unterschrieben, die Schulmappe liegt noch immer in der Ecke, und wer weiß, womöglich findet sich darin noch ein steinhartes, angebissenes Schulbrot. Aber was, wenn man den letzten Ferientag wieder und wieder erlebt? Ähnlich wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Genau das passiert der elfjährigen Frederike in „Der letzte Sonntag im August“ von Sabine Ludwig. Plötzlich gehen für Frederike die Ferien dann doch noch zu Ende – genau wie für alle anderen.

Doch so weit ist es zum Glück noch nicht. Jetzt beginnen erst mal sechs Wochen ohne Schule. Wie sagt Jutta Richter in einem ihrer Gedichte: „Der Sommer schmeckt nach Himbeereis.“ Also, Augen auf und genießen! Und nicht vergessen: Alles ist möglich.

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