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Kinderspaß – mal in fremder Wanne zu planschen.

© Zlatan Durakovic - Fotolia

Ferien: Sauna mit Spielregeln

Familien-Wellness mit Kindern liegt im Trend. Gesichtsmasken für die Kleinen müssen nicht sein.

Wellnessurlaub heißt für viele: Abschalten, Entspannung und endlich etwas Ruhe haben. Kinder wollen im Urlaub aber: Action, Spannung und laut sein dürfen. Kann das zusammenpassen? Offenbar schon: Unter Wellnessurlaubern sind immer mehr Gäste mit Kindern. Und viele Hoteliers haben inzwischen Familienangebote für gestresste Eltern.

„Familien haben zunehmend Wellness für sich entdeckt“, sagt Antonino Minneci von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die kürzlich auf der Reisemesse ITB aktuelle Daten zum Thema vorgestellt hat. Demnach sind immer mehr Familien unter den Wellnessurlaubern: Lag der Anteil 2011 noch bei gut einem Zehntel (11 Prozent), stieg er 2012 auf fast ein Fünftel (18 Prozent).

Vor zehn Jahren wäre diese Entwicklung noch undenkbar gewesen, sagt Michael Altewischer von der Kooperation Wellness Resorts&Hotels, die die GfK-Studie zusammen mit dem Reiseportal Beauty24 in Auftrag gegeben hat. Damals habe der einzige Wunsch der Gäste noch gelautet: Ruhe, bitte! Das habe sich inzwischen geändert – nicht zuletzt dadurch, dass Männer Wellness für sich entdeckt hätten und die Hoteliers deshalb mehr Aktivprogramme böten.

Jetzt machen die Hoteliers auch Kindern Platz im Pool: Seit ein paar Jahren haben immer mehr Häuser Familienpakete im Angebot. Denn auch sie spüren das gestiegene Interesse, wie eine Befragung von Hoteliers gezeigt hat: Rund jeder Achte (gut 12 Prozent) hat 2012 eine höhere Nachfrage von Familien verbucht. Zum veränderten Angebot gehörten etwa Kinderzeiten im Spabereich und in der Sauna, erklärt Altewischer. „In der Regel morgens ein bis zwei Stunden und nachmittags noch mal eine Stunde.“ In dieser Zeit sei klar, dass es lauter werden kann. „Kinder müssen toben dürfen.“ So seien solche Zeiten zum Teil extra als „Tobestunden“ deklariert.

Und danach? Einige Häuser bieten zusätzlich eine Kinderbetreuung, die etwa geführte Wanderungen umfasst. Oder eine Kinderabteilung, wo zusammen gekocht wird und die Kleinen etwas über gesunde Ernährung lernen, zählt Altewischer auf. Der Vorteil dieser Kombination: Eltern könnten ihre Kinder mitnehmen, aber trotzdem zwischendurch eine Auszeit nehmen und ein paar Stunden für sich haben, erklärt Roland Fricke von Beauty24.

Lutz Hertel hält das dennoch für keine so gute Idee: „Kinder haben ganz andere Bedürfnisse als Erwachsene, das passt also ganz schlecht zusammen“, sagt der Experte vom Deutschen Wellness-Verband, der die Qualität von Anbietern in diesem Bereich prüft. Erwachsene wollten in der Regel in Ruhe entspannen. Kinder seien laut und gehörten raus in die Natur. „Beides lässt sich ganz schlecht unter einen Hut bringen.“ Auch einige Hoteliers stehen der Idee skeptisch gegenüber – in manchen Häusern sind Familien mit jüngeren Kindern ausdrücklich unerwünscht. Eltern sollten sich daher immer vorab erkundigen, welche Regeln im Wellnesshotel gelten, rät Altewischer. Gerade Jüngere reagierten oft allergisch auf Kinder im Spabereich, erklärt er. Ältere seien da oft gelassener, vor allem, wenn sie selber Kinder haben. Er glaubt aber, dass sich Eltern mit anderen arrangieren können. „Wichtig ist, dass es Spielregeln gibt.“ Wenn klar geregelt sei, wann im Spa Ruhe herrsche, lasse sich Streit vermeiden.

Lutz Hertel ist da etwas weniger optimistisch – in der Praxis sei Streit oft programmiert. Er erlebe es immer wieder, dass sich Gäste wegen Kinderlärms in die Haare kriegen, erzählt er. Zwar kennt auch er Beispiele, bei denen der Spagat gelingt. „Aber das sind Luxushotels.“ Für Familien mit in der Regel kleinem Budget also eher nichts. Altewischer widerspricht dem: So ein Aufenthalt sei nicht teurer als ein All-inclusive-Cluburlaub. Außerdem blieben Wellnessgäste in der Regel keine 14 Tage, sondern 3 bis 4.

In einigen Häusern gibt es sogar spezielle Wellness-Anwendungen für Kinder. Gesichtsmasken und Schoko-Massagen für Fünfjährige – was ist denn von solchen Spielereien zu halten? „Gar nichts“, meint Ulrich Fegeler vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Auch Hertel findet solche Angebote „furchtbar“: „Ich halte das für sehr fragwürdig und nicht kindgerecht.“ Rolf Pieper vom Deutschen Sauna-Bund empfiehlt außerdem, Kinder erst ab dem dritten Lebensjahr mit in eine öffentliche Sauna zu nehmen. Zumindest sollten Eltern die Früherkennungsuntersuchung U4 im vierten Lebensmonat abwarten, um gesundheitliche Risiken abzuklären. Anfangs sollten Kinder außerdem nur eine halbe Minute in die Sauna hineinschlüpfen und sich dann langsam steigern, ergänzt Fegeler.

Lutz Hertel rät außerdem, dass Familien sich gut überlegen sollten, was sie im Wellnesshotel suchen. Denn oft hätten Eltern ein falsches Verständnis von dem Begriff. „Viele Familien denken, das ist das bessere Urlaubshotel“, hat er beobachtet. „Die nutzen dann aber gar nicht die Anwendungen, sondern planschen bloß im Pool.“ Dafür bräuchten sie aber nicht ins Wellnesshotel.Wenn sie ernsthaft etwas für eine gesunde Lebensweise tun wollen, seien Familien auf einem Bauernhof oft besser aufgehoben, sagt Hertel. Ansonsten sei die Frage, ob sie sich nicht besser ein Familienhotel mit Wellnessbereich als ein Wellnesshotel mit Familienbereich suchen sollten.

Tobias Schormann

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