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Zu schön, um wahr zu sein? Das sind Fotos und Bewertungen auf Onlineportalen manchmal auch.

©  Hilke Segbers

Hotelbewertungen: Zahlen zählen

Bei Hotelbewertungen im Netz ist eine gewisse Grundskepsis beim Nutzer angebracht.

Die Frage nach der Bedeutung von Hotelbewertungen ist einfach: Wann habe ich selbst zuletzt ein Hotel gebucht, ohne auf die Kommentare und Noten der anderen Gäste zu gucken? Gar nicht? Genau. So geht es der Mehrheit der Reisenden. Einer repräsentativen Umfrage der Fachhochschule Worms zufolge nutzen 90 Prozent der Befragten Hotelbewertungen immer oder häufig als Entscheidungshilfe.

Was genau dabei zählt – einzelne Bewertungen, das Durchschnittsergebnis oder die Weiterempfehlungsrate –, sei dabei relativ ausgeglichen, sagt Roland Conrady vom Fachbereich Touristik der Fachhochschule Worms. Für die Studie befragten Conrady und seine Mitarbeiter mehr als 1000 Personen zu ihrem Nutzungsverhalten von Hotelbewertungen sowie rund 1500 Hoteliers in fünf Ländern. Außerdem analysierten sie die relevanten Portale in Deutschland – insgesamt 17.

Tobias Arns, E-Commerce-Experte vom IT-Verband Bitkom, geht sogar davon aus, dass die Hotelbewertungen mittlerweile wichtiger sind als die Werbung der Hotels. „Es ist ja kaum noch möglich, Hotelbewertungen im Internet zu übersehen“, sagt er. Viele Hotels hätten die Bewertungen ihres Hauses bereits direkt auf der eigenen Webseite eingebunden.

Dieser Einschätzung entspricht das Ergebnis der Studie, wonach Buchungs- und Bewertungsplattformen von 46 Prozent der Befragten als wichtigste Informationsquelle für die Wahl eines Hotels angeben. Mit 28,3 Prozent folgt dann erst die Webseite des Hotels und an dritter Stelle, mit 19,9 Prozent, Empfehlungen von Freunden und Bekannten.

Etwa 15 Prozent Hotelbewertungen sind Fälschungen

Und wo die Bewertungen zu einem wichtigen Hinweis für die Gäste und für die Hoteliers zu einem mächtigen Marketingtool herangewachsen sind, sind die Fälschungen nicht weit. Genaue Zahlen, wie viele der Hotelbewertungen gefälscht sind, gibt es nicht. „Sie bekommen keine verlässlichen Zahlen“, sagt Conrady. Seine Faustformel lautet: Ungefähr 15 Prozent sind Fälschungen und noch einmal 15 Prozent einseitige Darstellungen.

Zu den Fälschungen zählt Conrady solche, die etwa von „Reputation Management“-Agenturen erstellt werden – im Auftrag der Hotels. Einseitige Darstellungen sind zum Beispiel solche, in denen eine einzige Negativerfahrung den Gast gleich zu einem Komplettverriss verleitet hat. „Was da passiert hinter einer einzelnen Bewertung, kann man von außen nicht erkennen“, warnt Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Eindrücke seien subjektiv, deshalb könne es zu verzerrten Bildern kommen.

Der Studie der FH Worms zufolge wissen die Nutzer von Bewertungsportalen genau das aber auch. Denn etwa die Hälfte der Befragten (48,3 Prozent) sagte, die Bewertungen seien zwar wichtig, aber mit Vorsicht zu genießen. „Man hat den Eindruck, dass die User schon eine gewisse Erfahrung mit den Portalen haben“, sagt Conrady.

Dem widerspricht allerdings eine andere Einschätzung: Immerhin hielten 82 Prozent die Bewertungen für glaubwürdig, 4 Prozent sogar für sehr glaubwürdig. Für diese eher gegensätzlichen Ergebnisse hat Conrady eine Erklärung: Die Nutzer hätten Techniken entwickelt, mit denen sie sich in der Lage sehen, Fälschungen zu identifizieren. So sagten 84,2 Prozent, sie schauten nach, ob es Bewertungen mit vergleichbarem Inhalt gibt, um die Mainstream-Meinung herauszufinden. 45,8 Prozent achten darauf, ob es Fotos oder Videos gibt, und 39,4 Prozent prüfen, wie aktuell die Bewertung ist.

Hotels auf verschiedenen Plattformen vergleichen

Arns rät Nutzern von Bewertungsplattformen zu einer Grundskepsis. Wichtig sei eine gewisse Anzahl an Einträgen. „Um sich ein Urteil über ein Hotel zu bilden, braucht man zirka zehn Bewertungen.“ Mehr seien natürlich noch besser. Die jüngste Bewertung sollte nicht älter als ein halbes Jahr sein, sonst könne sich die Qualität des Hotels in der Zwischenzeit verändert haben. Dann gehe es an den Inhalt, sagt Arns: Ist die Bewertung so geschrieben, dass sie auch im Katalog stehen könnte? Hat das womöglich jemand verfasst, der beruflich schreibt – ganz glatt und ohne einen einzigen Rechtschreibfehler (was selten genug ist im Netz)? Und gibt es vom Nutzer hochgeladene Fotos und Videos? „Das macht ein durchschnittlicher Fälscher nicht, das ist viel zu aufwendig“, sagt Conrady. Eine weitere Frage zur Überprüfung: „Habe ich Informationen über den Bewertenden? Kann ich Kontakt aufnehmen?“

Arns rät außerdem dazu, ein Hotel auf verschiedenen Plattformen zu vergleichen. Auf Seiten mit einem sogenannten geschlossenen System sei die Gefahr von Fälschungen nicht so groß, berichtet das Magazin „Reise und Preise“ (1/2014). Dort bewerten ausschließlich Nutzer, die tatsächlich Gäste in dem Hotel waren – sie werden nach der Rückkehr aus dem Urlaub per Mail kontaktiert und um ein Feedback gebeten. Solch ein System betreibt beispielsweise Traveltainment.

Was die Glaubwürdigkeit der Bewertungen angeht, warnt Verbraucherschützer Georg Tryba: „Es gibt keine absolute Sicherheit – das sollte immer nur eine Tendenz sein.“ Er sieht in unabhängigen Tests und Urteilen von Reiseführern die bessere Möglichkeit, sich zu informieren. Arns hält dagegen: „Unabhängiger als Bewertungen von Gästen geht es ja eigentlich nicht, deshalb sind die Portale der richtige Weg, sich ein Urteil zu bilden.“

Lea Sibbel

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