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Gemächlich geht auf Mackinac Island, Michigan, zu. Autos sind tabu. Foto: mauritius

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Reise: Karamell mit Kanonendonner

Eine autofreie Zeitreise auf Mackinac Island, ganz oben in Michigan.

Auf Mackinac Island leben mehr Pferde als dauerhafte Einwohner, zudem bestimmen Kutschen und Fahrräder das Bild. Die Insel lässt sich auf einem Highway umrunden, doch Autofahren ist hier schon seit fast 120 Jahren verboten – und das ausgerechnet in Michigan, der Heimat von General Motors, Ford und Chrysler. Fahrzeuglärm und Abgase würden jedoch die Beschaulichkeit stören, mit der Mackinac Island jedes Jahr von Mai bis Oktober 750 000 Touristen anlockt – viele nur für ein paar Stunden zum Einkaufen und Bummeln. Wäre die Schiffsanreise nicht so kurz, könnte man fast von einem amerikanischen Helgoland sprechen.

Die Insel Mackinac (ausgesprochen: Mekkinooh) liegt am Übergang des Michigan-Sees in den Huronsee und damit an der Stelle, wo sich die Untere und die Obere Halbinsel des Staates Michigan am nächsten kommen. Verbunden werden sie durch die gut acht Kilometer lange Mackinac-Hängebrücke.

Einen Großteil der Insel bildet ein dicht bewaldeter State Park mit seinen Wander- und Fahrradwegen. Die Main Street am Hafen dominieren dagegen Modeboutiquen sowie mehr als ein Dutzend Läden, in denen Fudge verkauft wird, eine klebrige Karamellsüßigkeit. Über das Hufgetrappel der langsam vorbeiziehenden Kutschpferde legt sich regelmäßig Donnerhall – immer dann, wenn die Soldatendarsteller im Fort Mackinac auf dem nahen Hügel eine alte Kanone abfeuern. Das Lager ist so erhalten, wie das Militär es 1895 verlassen hat. „Es ist eines von wenigen Überbleibseln aus der Zeit der amerikanischen Revolution“, sagt Phil Porter, der Direktor des historischen Parks.

In den kriegerischen Jahren von 1780 bis 1812 wechselte das Fort mehrfach den Besitzer – mal wehte die britische Flagge, mal die amerikanische. Später, nach dem US-Bürgerkrieg in den 1860er Jahren, wurde eine Versetzung auf den Posten sehr attraktiv: „Viele Soldaten waren vorher im Westen stationiert und kämpften in Arizona gegen die Indianer und das harte Wüstenklima. Dagegen war Mackinac Island wie Urlaub, zumindest in den Sommermonaten“, erzählt Porter, während er die Besucher durch das Offiziersquartier führt.

Nach dem US-Bürgerkrieg kamen aber nicht nur die Soldaten gern, sondern auch die ersten Touristen. Aus jener Zeit stammen auch viele der viktorianischen Villen und schönen Holzhäuser im Ort, angestrichen in Blaugrau, leuchtendem Gelb oder Pink. Einige von ihnen beherbergen als Bed & Breakfast-Betrieb auch Urlauber.

Insgesamt hat die Insel rund 2000 Gästezimmer. Mehr als 380 davon gehören zum 1887 gebauten „Grand Hotel“. Mit seiner 200 Meter langen, weißen Säulenfassade auf der Veranda ist der Prachtbau der zweite Blickfang der Insel neben dem Fort. „Nach dem Bürgerkrieg wurden in den USA rund 1200 große Hotels aus Holz oder Holzrahmen gebaut. Meist waren die Auftraggeber Eisenbahn- und Schiffsgesellschaften, die Ziele für Reisende schaffen wollten“, erklärt Bob Tagatz, der im Hotel arbeitende Historiker. Nur jedes hundertste dieser Häuser sei noch übrig und empfängt wie das auf Mackinac Island Gäste in der Lobby mit Plüsch, Kronleuchtern und anderer viktorianischer Pracht. Vor dem Portal klappern gerade die Hufe von Kutschpferden, neue Gäste reisen an. Ein Hotelbediensteter eilt mit Schaufel und Eimer herbei, um frische Pferdeäpfel zu beseitigen – ganz ohne Lärm und Abgase funktioniert also auch der autofreie Tourismus hier nicht. Christian Röwekamp

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Christian Röwekamp

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