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Literaturtipp: Heimat – ganz schön schräg

Magnetfelsen, Saurier und Wichtelmanufaktur: ein Buch führt zu Deutschlands ungewöhnlichen Orten.

Schlösser, Kirchen, Denkmäler: Deutschland steckt voller Sehenswürdigkeiten. Zigmal wurden sie schon fotografiert und in einschlägigen Reiseführern detailliert beschrieben. Schön ist das alles, aber wenig spannend. Abseits der sogenannten Highlights aber warten ungewöhnliche Orte, die eine Deutschlandreise zur überraschenden Entdeckertour machen. Man muss nur wissen, wo sie sind. Das Buch „Heimatkunde für Fortgeschrittene“ weist die Wege. Autorin Michaela Vieser stellt darin 39 dieser Orte vor. Da sind etwa die Magnetsteine im Odenwald, in deren Nähe jede Kompassnadel verrückt spielt. Oder der größte Hindutempel Kontinentaleuropas, der sich seit 2001 in Hamm, gleich neben der Autobahn, erhebt. In der Zwergenmanufaktur von Gräfenroda werden noch immer Wichtel aus Ton hergestellt, und das Gartenzwergmuseum am Ort informiert über die Geschichte der skurrilen Gesellen.

Noch erstaunlicher als der Saurierpark von Kleinwelka in der Oberlausitz ist die Geschichte seiner Entstehung. Der Dekorationsmaler Franz Gruß aus Großwelka baute in seiner Freizeit Dinos, die irgendwann keinen Platz mehr hatten im eigenen Garten. 1981 durfte er, für 700 Ostmark im Monat, dann die Riesen im Auftrag der DDR bauen – für den Saurierpark. Nach der Wende wurden im Park Eintrittsgelder verlangt, an deren Erlösen Gruß nicht beteiligt wurde. Da fertigte er eben Mikrokosmen und Bakterien aus der Urzeit, in tausendfacher Vergrößerung. Die sind nun im Urzeitpark Sebnitz zu sehen.

In nostalgische Märchenwelten taucht man dagegen in Altenberg im Bergischen Land ein. 1931 wurde der vermutlich älteste Märchenpark gegründet, in dessen zehn Hütten Dornröschen, Schneewittchen und Rotkäppchen wohnen. Mechanik, nicht High Tech, lässt Märchen hier lebendig werden. Wer's handfester mag, guckt sich in der Zoologischen Sammlung der Universität Rostock um. Da gibt es den Stoßzahn eines Einhorns zu sehen, Handschuhe aus Muschelseide und – einen ausgestopften Pfeilstorch. Einen jener Vögel, die von Jagdpfeilen, vermutlich in Afrika, durchbohrt wurden und die den Flug trotz der Waffe im Körper nach Deutschland schafften.

Das Buch zeigt, dass man nicht in exotische Gefilde reisen muss, um Wunder zu erleben. Solche wie das Bodenlose Loch im fränkischen Diebach. Es gehört zu den wichtigsten Geotopen in Bayern, und natürlich können Wissenschaftler erklären, was es mit der sechs Meter tiefen Gipskarstquelle auf sich hat. Aber hinfahren und staunen muss man schon selbst. kai

Am 6. September, 17 Uhr, wird das Buch im „Museum der Unerhörten Dinge“, Crellestraße 5-6 in Berlin-Schöneberg vorgestellt. Telefon: 030 / 781 49 32

— Michaela Vieser: Heimatkunde für Fortgeschrittene. Bodenlose Löcher, Lügenmuseen und andere kuriose Sehenswürdigkeiten. Knaur Taschenbuch Verlag, 265 Seiten, 12,95 Euro

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