zum Hauptinhalt
Lemuren

© AFP

Ökotourismus: Die Macht der Affen

Jobs in der Savanne: Wie der Tourismus bedrohten Tierarten hilft. Die Angebote reichen von Exkursionen mit Naturschützern in das Gebiet des Amazonas über Ausflüge in mittelamerikanische Tierreservate bis hin zu den gut besuchten südafrikanischen Nationalparks

Wuchtige Krokodilbäume, seltene Geckos und vom Aussterben bedrohte Schildkröten bevölkern den Nordwesten von Madagaskar. Viele Tiere, die im Nationalpark von Ankarafantsika leben, gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Doch fast wären sie vertrieben worden: durch verarmte Reisbauern, für die das Wald- und Savannengebiet eine wichtige Quelle für Wasser und Brennholz war. Gerettet haben die seltenen Tiere und Pflanzen ausgerechnet jene, die sie sonst eher bedrohen – Touristen.

„Der Ökotourismus war die beste Lösung“, sagt Justin Rakotoarimana, der den Nationalpark betreut. Hier sind fünfzig Jobs entstanden, an Flora und Fauna interessierte Urlauber unterstützen mit ihrem Eintrittsgeld soziale Projekte und Naturschutz. Statt die Wälder abzuholzen, arbeiten mehrere Bauern jetzt als Touristenführer in Ankarafantsika. Das 130 000 Hektar große Schutzgebiet wird mit Hilfsmitteln aus Deutschland finanziert, vor zwei Jahren machte hier auch Bundespräsident Horst Köhler auf seiner Madagaskar-Reise Station.

Sanfter Tourismus, der Rücksicht nimmt auf Umwelt und Bevölkerung, ist weltweit auf dem Vormarsch. Nicht überall trägt er gleich dazu bei, wie in Madagaskar Pflanzen und Tiere vor der Tod zu bewahren. Doch die schädlichen Auswirkungen des Massentourismus können oft vermieden werdem, wenn Veranstalter und Gäste ein wenig Rücksicht nehmen. „70 Millionen Menschen im Jahr reisen in irgendeiner Form des Ökotourismus an Orte mit zerbrechlichen Ökosystemen und Kulturen“, sagt Tensie Whelan von der internationalen Rainforest Alliance. Seit 1990 wachse der Ökotourismus mit 20 bis 34 Prozent im Jahr, erklärt die International Ecotourism Society (TIES) in Washington.

Im Vergleich zum Rest der Branche ist das ein enormes Wachstum.

Viele an Land und Leuten interessierte Urlauber wollen nicht länger in Bettenburgen mit riesigen Swimmingpools ihre Ferien verbringen, wenn die Landbevölkerung kein sauberes Trinkwasser hat und die Einheimischen zu Hungerlöhnen in der Küche arbeiten. Der typische „Öko-Tourist“ ist nach Angaben der TIES über 40, gebildet und verfügt über ein hohes Einkommen. Er kann es sich leisten, für hochwertige Angebote abseits des Massenmarkts ein wenig tiefer in die Tasche zu greifen – und damit auch im Urlaub sein Gewissen zu beruhigen.

Das Worldwatch Institute in Washington definiert Ökotourismus als „verantwortliches Reisen in Naturgebiete, das die Umwelt schützt und den Wohlstand der Einheimischen mehrt“. Unter die Definition fällt ein breites Spektrum an Reisen, deren Nutzen für die Umwelt allerdings höchst unterschiedlich ausfällt. Die Angebote reichen von Exkursionen mit Naturschützern in das Gebiet des Amazonas über Ausflüge in mittelamerikanische Tierreservate bis hin zu den gut besuchten südafrikanischen Nationalparks, die ihre Besucher um einen Beitrag für den Erhalt der Umwelt bitten.

Manche Hotels bauen sparsame Wasserspülungen und umweltschonende Klimaanlagen ein und decken ihren Energiebedarf durch Solarzellen. Auf den Tisch kommen bevorzugt Produkte aus der Umgebung, Öko-Anbieter verleihen Fahrräder– und manchmal auch Regencapes und Wanderstiefel.

Sie alle wollen ein kleines Stück von einem Urlaubsmarkt abbekommen, der für die Zukunft weiteres Wachstum verspricht.

Das geht so weit, dass manche bereits vor grünem Etikettenschwindel warnen. Rund um die Welt gebe es 400 unterschiedliche Zertifikate für Ökotourismus, von denen viele einfach „gutes Marketing“ seien, klagt Tricia Barnett von der britischen Organisation Tourism Concern. Viele Kritiker sehen das ähnlich. Von kommenden Jahr an wollen die Vereinten Nationen, Umweltschützer und Tourismusexperten deswegen Kriterien für ein weltweit gültiges Ökotourismus-Siegel erarbeiten.

Die große Reiselust und ihre oft schädlichen Folgen für Mensch und Umwelt könnten nicht ignoriert werden, sagt Tensie Whelan, deren Rainforest Alliance an den Kriterien für nachhaltigen Urlaub mitarbeiten wird. „Massentourismus wird es immer geben“, sagt sie.

„Die Frage ist nur: Erlaubt man billigen Massentourismus, der sehr schädlich ist, oder versucht man, ihn zu verändern?“

Richard Ingham[AFP]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false