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Reise: Ohne Tiegel und Tuben

Täglich wird auf deutschen Flughäfen tonnenweise Flüssiges aussortiert

Die Regelung ist seit November 2006 in Kraft, und die meisten Vielflieger haben sich mit ihr inzwischen arrangiert. Viele Touristen hingegen, die bestenfalls einmal im Jahr ins Flugzeug steigen, werden im Sommer erstmals hautnah erleben, was es bedeutet, nur noch sehr eingeschränkt Flüssigkeiten im Handgepäck mit an Bord nehmen zu dürfen. Experten erwarten daher, dass es in der Hauptreisezeit zu längeren Wartezeiten kommt, weil Reisende an der Sicherheitskontrolle ihre mitgebrachten Wasserflaschen und Shampootuben abgeben müssen.

„Aufklärung ist noch dringend erforderlich“, sagt Holger Kraft, Bereichsleiter Technik bei der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) in Berlin. Bislang sei bei den Reisenden kein Lerneffekt eingetreten, „die Menge der zurückbehaltenen Waren liegt auf den deutschen Flughäfen stabil bei 6,5 bis 7 Tonnen jeden Tag.“ „Ich bin mir sicher, dass viele Flugreisende im Sommer überrascht sein werden und die täglich einbehaltene Menge an Flüssigkeiten noch steigen wird“, sagt Kraft. „Es kann gut sein, dass Touristen da sehr unvorbereitet zum Flughafen kommen und an den Sicherheitskontrollen noch einmal ihre Taschen leeren müssen“, ergänzt Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband (DRV) in Berlin. Das könnte dann zu längeren Wartezeiten führen, „und die Schlangen sind doch ohnehin lang genug“.

Eingeführt wurden die Beschränkungen zum 6. November 2006, um Flugpassagiere vor den Gefahren durch Flüssigsprengstoff zu schützen, erklärt das Bundesinnenministerium in Berlin. Alle Flüssigkeiten und „Gegenstände in ähnlicher Konsistenz“ wie Gels, Shampoos, Zahnpasta und Sonnencreme dürfen seitdem nur noch in sehr eingeschränktem Maße mit in die Flugzeugkabine. Jedes Produkt für sich kann in einer Menge von maximal 100 Millilitern mitgenommen werden. Alle Flaschen und Tuben zusammen sind in einem durchsichtigen, wieder verschließbaren Plastikbeutel zu deponieren, der nicht mehr als einen Liter fassen darf. Zu kaufen gibt es die Tütchen etwa als Gefrierbeutel.

Wer mit einer Literflasche Apfelsaft oder einer Thermoskanne Tee ins Flugzeug steigen will, scheitert also an den Kontrollen. Auch Passagiere mit umfangreicher Kosmetikausstattung können viele ihrer Tiegel und Fläschchen nur noch in den aufgegebenen Koffer packen – immer in der Hoffnung, dass da nichts auslaufen möge. Ausnahmen von der Bestimmung gelten nur in sehr wenigen, genau definierten Fällen, etwa bei Milch, Säften und Brei für mitreisende Babys oder bei ärztlich verordneten Medikamenten, die während des Fluges benötigt werden. „In jedem Fall wird jeder Beutel mit Flüssigkeiten von den Kontrolleuren einzeln genau angeschaut“, sagt ADV-Experte Kraft. „Das dauert.“ Am einfachsten wäre es, wenn Fluggäste erst gar nicht versuchten, Coladosen und Feuchtigkeitscremes mit ins Flugzeug zu nehmen.

Dafür müssten sie die Regelung aber kennen, „und wer nur einmal im Jahr fliegt, hat das alles meist noch gar nicht erlebt“, sagt Sibylle Zeuch. Fluggesellschaften und Reiseveranstalter legen den Tickets und Unterlagen, die sie an ihre Gäste verschicken, deshalb häufig Hinweisblätter zu den neuen Handgepäckregelungen bei. „Das sind zwei Seiten ausführliche Informationen inklusive Hinweisen zu den Ausnahmen bei Medikamenten und Spezialnahrung“, sagt zum Beispiel Nina Dumbert vom Touristikkonzern Thomas Cook in Oberursel.

Doch wer liest schon gern das „Kleingedruckte“, wenn er sich auf den Urlaub freut? Das böse Erwachen kommt dann meist erst kurz vor dem Einchecken, wo Touristen mit Plakaten darauf aufmerksam gemacht werden, was noch erlaubt ist und was nicht. „Die Flughäfen betreiben viel Aufklärung“, versichert ADV-Experte Kraft, der sich nicht vorstellen kann, „dass da noch eine Schippe draufgelegt wird“.

Dass viele Flughäfen, Fluggesellschaften und Reisende natürlich die Regeln nicht gut finden, liegt auf der Hand. Die Gefahr durch Terrorismus dürfe zwar weder unterschätzt noch verharmlost werden, doch derzeit drohten die Kontrollen „die Mobilität massiv einzuschränken, während ihre Wirksamkeit oft fraglich ist“, klagt zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) in Berlin. Was auf den Flughäfen passiere, ähnele einer „Sicherheitsshow“, urteilt BDF-Sprecherin Sabine Teller. Der BDF beobachte voller Zuversicht ein Schlichtungsverfahren innerhalb der EU, an dem Europaparlament und Ministerrat beteiligt sind. Die Abgeordneten hatten gefordert, die Sicherheitsbestimmungen im Luftverkehr regelmäßig zu überprüfen. Die Airlines wünschen sich eine Reduzierung der Einschränkungen. Ob das noch vor den Sommerferien passiert, wie das Ergebnis im Detail aussehen und wann es in Kraft treten könnte, sei noch unklar. Die Hoffnung, dass die Ein-Liter- Plastikbeutel verschwinden, hat der BDF aber weiter.

Christian Röwekamp

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