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Panorama: Revolver fürs Seelenheil

Katharina Münk ist seit 18 Jahren Chefsekretärin – jetzt hat sie ein Buch über ihre Bosse geschrieben

Berlin - Kaffee kochen, Telefonate durchstellen, zum Diktat – das war gestern. Über diese Klischees kann die Chefsekretärin von heute nur müde lächeln. Oder weinen. Denn die wahre Herausforderung der Profession lauert nicht im Vorzimmer, sondern dahinter: der Boss.

Was sich in den Zimmern und auf den Fluren deutscher Vorstände und Geschäftsführer abspielt, hat nun eine aufgeschrieben, die es wissen muss: Katharina Münk, seit 18 Jahren in der Branche und Chefsekretärin von Beruf. „Und morgen bringe ich ihn um!“ lautet der Titel des Buches, in dem die Autorin mal mit weinendem, mal mit lachendem Auge aus dem professionellen Nähkästchen plaudert. Was einen auf den 173 Seiten erwartet, klingt im Vorwort an: Dort vergleicht Münk die Chefetage mit der „Truman- Show“. In der gleichnamigen Filmsatire ist der Protagonist 30 Jahre lang Hauptdarsteller einer Fernsehserie – ohne davon zu wissen. „Manchmal war ich versucht durch die Wand zu pieksen, um zu erkunden, ob diese nicht Teil eines Bühnenbildes aus Pappmaché sei“, kommentiert Münk. „Aber sie war echt.“

Vorhang auf also für die große Show der Chefs, die bei Katharina Münk Herr Tulny, Georg Ippenfeld oder Herr Dr. Stanz heißen. Und alle kriegen ihr Fett weg. Für ihre Herrschsucht, Besserwisserei und Unberechenbarkeit. Für fehlendes Feingefühl und Überheblichkeit. Mit Herrn Tulny beispielsweise gerät die Sekretärin aneinander, als sich dieser nonchalant auf der Visitenkarte vom Vorstandssprecher zum Vorstandsvorsitzenden ernennt. „Was hier richtig ist, Frau Münk, entscheide immer noch ich“, erwidert Tulny und verschwindet ins nächste Meeting. Dass sich Chefs aber auch Gedanken machen, beweist die Geschichte mit den Galgen. Die Sekretärin findet die Zeichnung mit den erhängten Strichmännchen in der Akte „Strategisches“ – versehen mit den Namen sämtlicher Vorstandskollegen und Stichwörtern über deren Führungsverhalten, Stärken, Schwächen.

An diesem Punkt bringt Münk erstmals einen Revolver ins Spiel. Eine Spielzeugwaffe, wohlgemerkt. „Wir Sekretärinnen tauschten ihn untereinander aus, wenn es eine von uns wieder einmal nötig hatte, akut aufgestaute Aggressionen umzulenken.“ Man glaubt es kaum: An anderer Stelle blickt die Chefsekretärin doch tatsächlich in die Mündung eines echten Revolvers! Der Boss, Direktoriumsmitglied einer Bank, streckt ihr die Waffe entgegen. „Den haben wir neulich erst im Nachlass meines verstorbenen Vaters gefunden“, erklärt er seiner perplexen Schreibkraft. „Wo war ich bloß gelandet?“, fragt sich Münk – und leitet zum täglichen Wahnsinn über.

Der besteht darin, dem Vorgesetzten zur Entschlackung eine Schrothkur zu buchen, bonusfähige Flugreisen zu organisieren oder dafür zu sorgen, dass Chefs Gattin die Fernbedienung fürs heimische Garagentor doch noch in Gang bekommt. Ja, und auch in Sachen Technik würde in den Chefetagen ohne versierte Vorzimmerkräfte gar nichts laufen. Siehe Herr Dr. Stanz. Nachdem sein Diktiergerät das Zeitliche gesegnet hat, schleppt er ein modernes digitales Diktier- und Spracherkennungssystem an. „Ich habe in dieses Teil gesprochen, und wenn Sie das in Ihren PC stecken, kommt hinten der fertige Text heraus.“ Von wegen. Frau Münk sieht sich einem sinnentstellten, unbrauchbaren Text ohne Punkt und Komma gegenüber. Das Gerät macht aus „Schieflage des Unternehmens“ das „Ski fahrende Unternehmen“ und aus „Anwesend waren“ „Alle Wesen waren da“. Das Werk landet ausgedruckt in der Unterschriftenmappe von Dr. Stanz.

Der Chef verliert nie wieder ein Wort darüber.

Katharina Münk: Und morgen bringe ich ihn um! Als Chefsekretärin im Topmanagement, Eichborn Verlag, 173 Seiten, 14,90 Euro.

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