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Sachsen-Anhalt: Polizei ließ Totschläger laufen

Brutale Tritte auf den Kopf: Ein Jugendlicher verletzte einen Mann so schwer, dass der starb. Ein Motiv hatte der 16-Jährige nicht. Die Polizei kannte den Täter, fasste ihn und ließ in wieder laufen. Nicht das erste Versäumnis der Polizei in Sachsen-Anhalt dieser Art.

Von Frank Jansen

In Sachsen-Anhalt ist ein grausiges Tötungsverbrechen zu beklagen – und die Polizei hat offenbar falsch reagiert. Am Sonnabend schlug in Halle ein 16-Jähriger vor einem Supermarkt einen 48 Jahre alten Mann zu Boden und trat ihm dann mehrfach auf den Kopf. Das Opfer erlag am Dienstag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Die Polizei konnte aufgrund der Hinweise von Zeugen den einschlägig bekannten Täter noch am Sonnabend in Halle ermitteln, nahm aber nur die Personalien auf, schrieb eine Anzeige und ließ den Jugendlichen laufen. Festgenommen wurde er erst am Dienstagvormittag, als das Krankenhaus der Polizei mitgeteilt hatte, das Opfer werde vermutlich nicht überleben. Die Staatsanwaltschaft beantragte am Mittwoch einen Haftbefehl wegen Totschlags, der 16-Jährige kam dann in Untersuchungshaft.

„Wir werden jetzt prüfen, warum die Polizei den Tatverdächtigen nicht schon am Sonnabend festgenommen hat“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Halle, Klaus Wiechmann, am Mittwoch dem Tagesspiegel. Er deutete an, nach bisherigen Erkenntnissen sei das Verhalten der Beamten „nicht korrekt“. Der Sprecher der in Halle sitzenden Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd, Siegfried Koch, wusste keine Antwort auf die Frage, wieso die Polizei am Sonnabend dem Schläger trotz seiner Brutalität und der kriminellen Vergangenheit keine Handschellen anlegte: „Dazu kann ich nichts sagen.“

Laut Koch hat der Jugendliche in diesem Jahr bereits wegen einer Körperverletzung einen dreiwöchigen Jugendarrest verbüßt. Staatsanwalt Wiechmann sagte, außerdem sei ein weiteres Verfahren gegen den 16-Jährigen, auch nach einer Körperverletzung, eingestellt worden.

Die Polizei nahm den Jugendlichen am Dienstag aus dem Schulunterricht heraus fest. Der 16-Jährige legte dann ein Geständnis ab. Nach einem Streit mit Bekannten „hatte ich Frust“, zitierte Koch aus den Angaben des Täters. Einen Grund für den Angriff auf das Opfer konnte oder wollte der Jugendliche nicht nennen. Der 48-Jahre alte Mann, ein bei der Stadt Halle angestellter Hausmeister, hielt sich vor dem Supermarkt auf und nahm dort Alkohol zu sich. Es habe sich aber nicht um einen alkoholkranken Mann gehandelt, sagte Staatsanwalt Wiechmann. Es gebe auch keine Hinweise, dass der Jugendliche den Mann aus einem rechtsextremen Motiv heraus, wie Hass auf „Asoziale“, misshandelte.

Die Polizei in Sachsen-Anhalt steht wegen mehrerer Versäumnisse schon länger in der Kritik. Ein Beispiel: Im Juni 2007 ließen Beamte in Halberstadt Neonazis laufen, die Theaterschauspieler geschlagen hatten. Der Fall steht auf der Agenda des Untersuchungsausschusses, den der Landtag vor einem Jahr zur Aufklärung der seit Anfang 2007 schwelenden Polizeiaffäre eingesetzt hatte.

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