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Panorama: Schöne alte Handys

In vielen Haushalten liegen Mobiltelefone der letzten Jahre herum – was man alles damit machen kann

Dieses Land zählt mehr Handys als Einwohner. Schätzungsweise 100 Millionen ausgediente Mobiltelefone schlummern in deutschen Schubladen. Dabei kann man anderen Menschen mit seinem Althandy helfen.

Das Problem ist wohl, dass Handymodelle immer schneller weiterentwickelt werden und die alten hoffnungslos aus der Mode kommen. Nicht wenige Deutsche haben daher schon zwei, drei Altgeräte zu Hause rumliegen. Das mit der Mode ist eine Angelegenheit, die Heinz Sänger, Inhaber eines mobilen Handymuseums aus Dortmund, gut nachvollziehen kann: „Man outet sich doch, wenn man so eine alte Gurke hat." Fragt man den Telefonexperten, was man mit seinem alten Handy alles anstellen kann, hat er drei Antworten parat: Handyweitwurf in Schweden, aufheben bis sie wertvoll werden oder einem guten Zweck spenden.

Den guten Zweck haben inzwischen eine Reihe von Unternehmen und Hilfsorganisationen entdeckt. Sie sammeln ausgediente Handys und führen sie einem Verwerter zu: Der entscheidet, ob ein Handy verschrottet wird oder ob es nach einer Überholung wieder auf den Markt gebracht werden kann. Den Sammlern bringt das etwa drei Euro pro Gerät, bei defekten Geräten oder solchen, die älter als vier Jahre sind, immerhin noch 50 Cent.

Der Malteser Hilfsdienst hat mit der Hilfe des Mobilfunkbetreibers E-Plus seit September 2006 rund 6000 alte Handys aller Hersteller gesammelt. „Wer sein Handy in einen unserer Umschläge steckt, tut auch was Gutes“, sagt die Sprecherin der Hilfsorganisation. Die Auslöse für die Althandys von bislang etwa 12 000 Euro fließt zurück in die Region der Spender. Unterstützt werden zum Beispiel Projekte in der Migrantenmedizin und im Schulsanitätsdienst. Auch die Deutsche Post will in diesem Jahr gemeinsam mit dem Recycling-Unternehmen Talk Greener 22 Millionen Versandtaschen in deutsche Haushalte versenden, um Schläfer-Handys einzusammeln. Das Geld soll dem WWF Wild Life Fund of Nature, dem Deutschen Kinderhilfswerk und der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe zugute kommen. Der WWF will für jedes weitere verwendbare Handy einen Baum zur Aufforstung des Regenwalds auf Borneo pflanzen.

Natürlich gibt es Menschen, die ihre alten Mobilgeräte nicht so gerne rausgeben – die Handysammler. Mit dem Handysammeln ist es jedoch so eine Sache. Heinz Sänger erzählt, dass es sich mit den Geräten aus der Handy-Frühzeit wie mit den Briefmarken verhält: Für viele sind die alten Dinger völlig uninteressant und wertlos. Sänger spricht aus Erfahrung. Er hat die gesamte Mobilfunkgeschichte „vom A-Netz bis zum D-Netz“ von 1958 bis heute zusammengetragen. Dabei spielte Glück eine große Rolle: Durch Zufall entdeckte ein Bekannter einen seiner größten Schätze, die alte Staatskarosse von Konrad Adenauer, auf einem Schrotthof. Adenauer gehörte zu den Nutzern des ersten Autotelefons, Baujahr 1958. Die kofferraumfüllende 16 Kilo schwere Anlage machte den Kanzler nicht unbedingt leichter erreichbar. Wer ihn anrufen wollte, musste dem „Fräulein vom Amt“ sehr genau sagen, wo sich Adenauers Auto gerade befand. Zu den Zeiten des „A-Netzes“ war Telefonieren nur in 30 Kilometer fassenden Funkzellen möglich und jede einzelne hatte ihre eigene Vorwahl.

Seine Mobilfunksammlung hat ihm einen Eintrag in das Guiness Buch der Rekorde eingebracht, aber als HandySammler will sich Sänger heute nicht mehr bezeichnen. Ein neues Jagdfieber hat ihn gepackt: „Handys prominenter Persönlichkeiten“, wie auf seiner Homepage zu lesen ist. Diese Leidenschaft hat ihm einige schöne Stücke eingebracht, von Muhammad Alis Mobiltelefon, über den „Personal Computer“ von Gina Wild bis zu dem Handy des Ex-US-Präsidenten Bill Clinton. „Aber die Nummern gebe ich nicht raus“, bemerkt Sänger verschmitzt.

Die Jagd nach diesen Prunkstücken findet er inzwischen fast aufregender als die eigentliche Übergabe. Bei Bill Clinton hat das fünf Jahre gedauert, entsinnt sich Sänger. „Das fing an im Weißen Haus, über die amerikanische Botschaft, das Gipfeltreffen in Köln und ging weiter bis nach Augsburg, wo Clinton damals einen Vortrag hielt.“ Der Handyfan im Vorruhestand hat weitere große Pläne und hat ein Auge auf das Handy von Fidel Castro geworfen – sofern der ehemalige kubanische Staatschef eines besitzt.

Antiquarische Handys, wie die schweren Kästen aus den siebziger Jahren, bringen in dem Internetauktionshaus Ebay kaum mehr als 20 Euro ein. Wer sich diese Mühe ersparen möchte, sollte wissen, dass Handys nicht in den Hausmüll gehören. Nach dem neuen Elektro- und Eletronikgerätegesetz müssen sie an kommunalen Sammelstellen abgegeben werden. Viele Netzanbieter nehmen die ausgedienten Telefone aber auch direkt im Laden zurück.

Vor der Entsorgung erinnert Manuel Breuel vom IT-Branchenverband Bitkom an eine weitere Einsatzmöglichkeit für alte Handys: Da die Notruffunktion bei aufgeladenem Akku auch ohne SIM- Karte funktioniert, können sie als Notrufgeräte im Handschuhfach des Autos oder im Wochenendhaus für alle Fälle aufbewahrt werden.

Das erste kommerzielle Mobiltelefon von 1983 war ein echter Hingucker. Mit der langen Antenne erinnert das Motorola DynaTac 8000x mehr an ein Walkie Talkie. Damals aber kostete es schlappe 4000 Dollar. Dabei machte es seinem Spottnamen „Knochen“ mit fast einem Kilo Tragegewicht alle Ehre.

www.deutschepost.de/electroreturn

www.malterser-sammeln-handys.de

www.handymuseum.de

Annika Kiessler

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