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Söldener Seilbahnunglück: Bewährungsstrafe für Unglückspiloten

Im Strafprozess um die tödliche Seilbahnkatastrophe im österreichischen Sölden ist der angeklagte Pilot (r.) des Unglückshubschraubers zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Innsbruck - Das Landesgericht Innsbruck befand den 36-jährigen Markus J. am Donnerstag der fahrlässigen Gemeingefährdung für schuldig. Der Pilot habe vorhersehen müssen, dass sich der an seinem Hubschrauber hängende Betonkübel lösen und auf die Gondelbahn fallen könnte, sagte Richter Bruno Angerer in der Urteilsbegründung.

Die rund 30 im Gerichtssaal anwesenden Hinterbliebenen von getöteten Seilbahnfahrgästen und Überlebende der Katastrophe reagierten mit Schweigen auf das Urteil. Nach dem Prozess sagte einer der Angehörigen, das Urteil sei "ein besserer Freispruch". Richter Angerer verwies die Hinterbliebenen für Schadensersatzansprüche gegen den Piloten auf den Zivilklageweg. Er hoffe, dass die Betroffenen dafür Verständnis haben.

Im Prozess hatte Markus J. den Hinterbliebenen sein Beileid bekundet: "Natürlich tut mir das sehr, sehr leid, was den Angehörigen und den Verletzten passiert ist." Er appellierte an den österreichischen Gesetzgeber, das Überfliegen von in Betrieb befindlichen Seilbahnen explizit zu verbieten. Sonst seien immer die Piloten unter Entscheidungsdruck.

Am 5. September 2005 hatte der von Markus J. gesteuerte Lastenhubschrauber beim Flug über die Seilbahn am Rettenbachfernergletscher im Ötztal den 750 Kilogramm schweren Betoneimer verloren. Die Last fiel genau auf das Tragseil. Dadurch wurde eine Gondel in die Tiefe gerissen und eine weitere derart in Schwingungen versetzt, dass sechs Skifahrer herausgeschleudert und getötet wurden. Insgesamt starben bei dem Unglück neun Deutsche, darunter sechs Kinder im Alter zwischen 12 und 14 Jahren. Weitere neun Menschen wurden verletzt.

Überlebende leiden noch heute

Darunter war auch Harald Huber aus dem Landkreis Karlsruhe. Er leidet noch immer unter den Folgen des Unfalls, kann nur noch mit einer Krücke gehen. Huber befand sich in der Gondel, die durch das schwingende Tragseil herumgeschleudert wurde. Er erlitt einen doppelten Beckenbruch, einen Blasenriss und verlor seine rechte Augenlinse. Auch seine Tochter Jasmin, die er beim Sommerskifahren auf dem Gletscher begleitete, wurde verletzt - wenn auch vergleichsweise leicht.

Finanziell wurde Huber von Versicherungen bereits weitgehend entschädigt. Doch er möchte, dass die Verantwortlichen auch persönlich zur Rechenschaft gezogen werden. Auch Hans-Peter Ketterer aus Bad Dürrheim im Schwarzwald ist deswegen nach Innsbruck angereist. Er hat bei dem Unfall seinen Sohn Samuel verloren. Der 13-Jährige stürzte aus der Gondel in den Tod. "Enthirnung bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma" hieß es nüchtern im Obduktionsbericht.

Zehn Monate nach dem furchtbaren Geschehen wollte Ketterer nun Aufklärung, wie das Unglück passieren konnte. Samuel hatte sich auf einem Skiausflug seines Sportclubs befunden. Sein Vater wirft der österreichischen Justiz nun Versagen vor. Es sei "ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen", dass sich nur der Pilot vor Gericht verantworten musste. Auf der Anklagebank hätten auch Vertreter der Gondelbahn und der Helikopterfirma sitzen müssen, forderte Ketterer am Rande des Prozesses. Der Pilot sei nur "das schwächste Glied in der Kette".

Staatsanwaltschaft: Keine weiteren Anklagen möglich

Doch die Staatsanwaltschaft sieht keine Handhabe für weitere Anklagen. Der Pilot habe die Flugroute mit der Überquerung der Seilbahntrasse eigenverantwortlich gewählt. Für das Herunterfallen des Betoneimers sei er zwar nicht verantwortlich, dies sei durch einen technischen Defekt geschehen. Er sei aber dennoch der fahrlässigen Gemeingefährdung und der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen schuldig, betonte Staatsanwältin Sylvia Geymayer.

Verteidigerin Andrea Haniger-Limburg widersprach diesen Vorhaltungen. Sie sprach von einer "Verkettung unglücklicher Umstände". Das Geschehen habe der Angeklagte "nach menschlichem Ermessen" nicht vorhersehen können. Der Pilot sei selbst "Opfer des Schicksals" geworden. Auch der Betriebsleiter der betroffenen Seilbahn, Eberhard Schultes, betonte, er habe "nicht den Hauch einer Gefahr" durch das Überfliegen der Trasse gesehen. Deswegen sei der Bahnbetrieb auch nicht vorbeugend eingestellt worden.

Der Juniorchef des Helikopterunternehmens, bei dem Markus J. angestellt ist, Roy Knaus, bestätigte im Zeugenstand, dass es völlig normal sei, über Gondelbahnen zu fliegen. Er und seine Pilotenkollegen täten das auch heute noch, wenn es keine akzeptable Alternativflugroute gebe. Bei den Angehörigen im Zuschauerraum löste diese Aussage verständnisloses Kopfschütteln und Murren aus.

Die erste Runde in der strafrechtlichen Aufarbeitung des furchtbaren Unfalls ist nun vorbei. Nur einen Tag benötigte das Landesgericht für die Hauptverhandlung. Doch die Gerichte werden sich auch in den nächsten Monaten noch mit dem Fall befassen müssen. Gegen das Urteil wird die Verteidigung womöglich in Berufung gehen, und auch drei Zivilprozesse laufen noch. (Von Ulrich Meyer, ddp)

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