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Dr. WEWETZER: Gelassen Kakao trinken

Vor kurzem hatte ich an dieser Stelle geschrieben, dass nach neuen Untersuchungen die Zahl der Demenzkranken nicht so stark ansteigt wie befürchtet.

Vermutlich auch, weil man vorbeugen kann, zumindest in Maßen. Und ich hatte an den amerikanischen Musiker Elliott Carter erinnert, der noch mit über 100 Jahren komponierte. Leserin J. R. hatte mir daraufhin berichtet, dass vielen jenseits der 70 doch ein wenig der Mumm zum aktiven Gestalten fehle, dass man vergesslicher werde und sich angesichts mancher Ausfallerscheinungen vor Demenz fürchte. In hohem Alter geistig Aktive wie Elliott Carter oder Altbundeskanzler Helmut Schmidt seien da eher ein schwacher Trost. Wo ist die erträgliche Perspektive für Ältere, die zwar geistig interessiert, aber nicht mehr kreativ sind, fragte Leserin R.

Die Antwort darauf fällt nicht nur medizinisch aus. Natürlich kann man etwas gegen geistigen Verfall im Alter tun. Also sich zum Beispiel viel bewegen und sich gesund ernähren, dazu Bluthochdruck und andere Risiken behandeln lassen. Trotzdem, das Gehirn altert, man wird geistig weniger beweglich. Das lässt sich nicht wegdiskutieren, aber muss noch längst kein Demenzzeichen sein. Man sollte sich nicht von Sorgen über die Zukunft auffressen lassen, sondern einen Wechsel der Perspektive vornehmen. Weg von dem Negativen, den Defiziten, dem, was nicht mehr so gut funktioniert. Und stattdessen hin zu denjenigen Dingen, die einen interessieren, die einem Spaß machen, die den eigenen Horizont erweitern oder die man schon immer machen wollte. Man könnte auch sagen: sich auf das Wesentliche konzentrieren. Dazu ist niemand wirklich zu alt. Die „Ausfallerscheinungen“ mögen noch da sein, aber sie rücken in den Hintergrund und bestimmen nicht das Leben.

Eine medizinische Untersuchung muss ich aber doch noch erwähnen. Sie ist diese Woche im Fachblatt „Neurology“ erschienen. Forscher der Harvard-Universität prüften, ob zwei Tassen heißer Schokolade am Tag gut fürs Gehirn und die geistige Regsamkeit von Menschen um die 73 sind. Die 60 Teilnehmer der Studie tranken ihre zwei Tässchen 30 Tage lang, außerdem mussten Gedächtnistests und Denkaufgaben gemeistert werden, mit Ultraschall wurde zudem die Durchblutung des Gehirns gemessen.

Dahinter steckt die Idee, dass ein ungehinderter Blutfluss ins Gehirn dessen Arbeit entscheidend erleichtert. Denn es macht zwar nur zwei Prozent des Körpergewichts aus, verbraucht aber 20 Prozent des Sauerstoffs und der Energie. Kein anderes Organ ist so dringend auf eine gute „Infrastruktur“ angewiesen. Kakao, auch darauf gibt es Hinweise, kann die Funktion der Blutgefäße verbessern. Das bestätigte sich teilweise in der Studie. 18 der 60 Teilnehmer hatten einen gestörten Blutfluss, der sich nach Kakaogenuss ebenso verbesserte wie ihre Testleistungen. Schokolade für die geistige Fitness? Diese Schlussfolgerung wäre im Moment zu weitgehend, denn die Resultate müssen bestätigt und ergänzt werden, zudem hat die Studie einige Mängel. Bis das Ergebnis feststeht, naschen wir schon mal.

Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht?

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