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Spenden

© dpa

Spenden: Moden der Mitmenschlichkeit

In der Weihnachtszeit ist Mildtätigkeit in Mode. Die Spendenbereitschaft der Deutschen schwankt mit der Konjunktur. Vor Weihnachten kommt aber traditionell viel zusammen.

Weihnachtszeit, Werbezeit: In keiner anderen Saison quellt so viele wohlmeinende Post, Spenderprospekte und Überweisungsträger aus dem Briefkasten. Da hofft das Rote Kreuz auf Hilfe, und der WWF bittet um die Rettung der letzten Sumatra-Waldelefanten. Auch in der Spendenbranche müssen die Organisationen um die Gunst der Kunden buhlen - erst recht im Dezember, denn im Weihnachtsmonat wird doppelt so viel gespendet. Mit welchen Themen erwärmt man die Herzen der Geldgeber, um mit möglichst viel Spenden möglichst viel Gutes zu tun?

Würde man es in der Sprache der Zyniker ausdrücken, könnte man sagen: Tiere und Kinder gehen immer. Bei der TV-Spendengala „Ein Herz für Kinder“ ist am Samstagabend die Rekordsumme von zwölf Millionen Euro zusammen gekommen. In diesem Jahr lag der Fokus auf Deutschland, rund 2,5 Millionen Kinder leben hier in Armut.

Spendenvereine machten häufig die Erfahrung, dass die Deutschen oft tiefer in die Tasche griffen, wenn auf einem Plakat zu einer Dürrekatastrophe abgehärmte Ochsen zu sehen waren, als wenn man hungernde Erwachsene zeigte. Doch die Zeiten, in denen etwa allein Kinder mit Kulleraugen und aufgedunsenen Bäuchen als Werbemotive auf Plakatwänden gezeigt wurden, sind vorbei. Das gilt als zu drastisch, zu plakativ.

Die Mode der Mitmenschlichkeit - sie verändert sich mit den Jahren. In den Siebzigern, erinnern sich Marketingexperten lagen Themen aus Süd- und Lateinamerika im Trend: Bedrohte Indianer in Chile, das zog - auch das Geld aus dem Portemonnaie. „Entwicklungspolitische Themen hatten damals in den Medien eine ganz andere Bedeutung“, sagt Marion Aberle von der Deutschen Welthungerhilfe.

Meist werden heute solche Themen bei der Spenderöffentlichkeit unter Folklore abgestempelt, klagt Christine Decker, bei Caritas International zuständig für Spendenwerbung. Die Konflikte in den Ländern seien viel zu schwierig zu transportieren. Nach dem Wirbelsturm in Mexiko konnte die Caritas gerade mal 380 000 Euro einnehmen. Normalerweise spenden die Deutschen für diese Organisation in einem Monat ohne Katastrophen 800 000 Euro, mit Katastrophe sind es zwei Millionen.

Schwer zu vermarkten sind auch Karibikländer, die als Urlaubsziele bekannt sind - wie die Dominikanische Republik. Potentielle Spender denken an All-Inklusive-Hotels und nicht an die große Kluft zwischen Arm und Reich. Hilfsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ bitten ohnehin ganz allgemein um Spenden für ihre Arbeit, denn all die unübersichtlichen Konflikte in Afrika, in denen die Mediziner Leben retten, lassen sich in der Öffentlichkeit kaum vermarkten.

Der Klimawandel stellt die Weltgemeinschaft vor die wohl größte Herausforderung aller Zeiten - und schafft auch für die Wohlfahrtsverbände völlig neue Voraussetzungen. „Kaum ist eine Katastrophe passiert, kommt schon die nächste und verdrängt die Berichterstattung “, wissen professionelle Helfer. Das Elend durch Stürme und Überschwemmungen wird immer größer - doch die Menschen stumpfen offenbar immer mehr ab.

Die globalen Wetterveränderungen spielen in den Briefen an die Spender bei Caritas International bereits eine große Rolle. Bis zu fünf Mal im Jahr werden die Leute aus der Kartei angeschrieben, natürlich auch rechtzeitig vor Weihnachten. „Wir betreuen langfristig viele Projekte zusammen mit einheimischen Partnern“, sagt Caritas-Fundraiserin Decker. Aktivitäten früherer Jahre hätten bei der letzten Flut in Bangladesh 20 000 Menschen das Leben gerettet.

Die gute alte Post bewirkt bei der Werbung um Spender übrigens immer noch weit mehr als moderne E-Mails. Persönliche Anschreiben sind auch bei der Deutschen Welthungerhilfe ein entscheidendes Mittel, um Spender zu motivieren und zu binden. Bunte Karten, bunte Action, wie sie etwa die Unicef in ihrem Spendenmarketing verwendet, lehnt man auch bei anderen großen Trägern ab. Wer so viel Marketing-Drumherum betreibt, der gibt gern bis zu 35 Prozent seines Spendenaufkommens für Werbung aus. Bei Caritas International liegt dieser Anteil beispielsweise bei nur 6,4 Prozent.

Ein erfolgreiches, aber durchaus umstrittenes Konzept ist das der Patenkinder. World Vision und Plan International sind da gut im Geschäft. Denn viele Spender haben Sorge, dass ihr Geld versickert - schickt aber ein Patenkind aus der Region Briefe, ist die Hilfe personalisiert. Man hat ein gutes Gefühl, eine stärkere Bindung. Andere Verbände sehen darin eine Ungleichbehandlung, die soziale Spannungen verursacht. Sie fördern lieber ganze Regionen statt einzelne Menschen.

Eines hilft indes immer, egal welcher Verein, welches Land, welches Unglück. „Wenn das Fernsehen berichtet hat und die Kontonummer eingeblendet war, steigt der Spendenstand schnell“, sagt Decker von Caritas International. Kein Wunder, dass die Deutsche Welthungerhilfe lange Jahre dank der ZDF-Spendengala mit Dieter Thomas Heck höchst erfolgreich Mittel einwerben konnte. Nun geht Heck in Rente – das Spendensammeln verändert schon wieder sein Gesicht.

Annette Kögel

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