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Straßburg: "Pierrot" vor Gericht

Es geht um Vergewaltigung, um Mord und um grausame Zerstückelung der Opfer. Fast drei Jahre liegen die Taten zurück, die ein heute 59 Jahre alter Mann im Elsass begangen haben soll.

Straßburg - Seit diesem Mittwoch steht "Pierrot der Verrückte", wie er von den Medien genannt wird, in Straßburg vor Gericht. Der mehrfach Vorbestrafte soll im Juli 2004 die elfjährige Jeanne-Marie und wenige Tage später die 14-jährige Julie bei Schirmeck brutal getötet haben. Auch der Mord an einer 38-Jährigen wird ihm zur Last gelegt. Die drei Leichen waren in einem Flusslauf gefunden worden.

Mitangeklagt sind 18 Mitglieder einer nichtsesshaften Familie. Ihnen wird Mittäterschaft in einem Fall vorgeworfen, Verschleierung einer Straftat und unterlassene Hilfeleistung. Ein Urteil wird frühestens Anfang Juli erwartet.

Großes Medieninteresse

Die grausame Mordserie hatte damals Entsetzen und eine lebhafte Anteilnahme in der Bevölkerung ausgelöst. Entsprechend groß war das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit am ersten Verhandlungstag im Straßburger Schwurgericht. Der Hauptangeklagte in dunklem Anzug und mit längeren grauen Haaren antwortete klar auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Bernard Meyer. "Ich habe früher als Maurer, Friseur, Maler und Musiker gearbeitet, jetzt bin ich zu 80 Prozent behindert", sagte er. Den Spitznamen "Pierrot der Verrückte" bekam er wegen seiner langjährigen Unterbringung in der Psychiatrie.

Größere Mühe hatte Meyer allerdings mit den Mitangeklagten, die ihre Gesichter unter Jacken versteckten und sich teilweise kaum verständlich äußern konnten. Ungeklärt blieb die Frage der Verwandtschaft. "Wir haben versucht, einen Stammbaum der Familie des Angeklagten aufzustellen. Es war oftmals nicht zu klären, ob die Kinder vom Bruder, Onkel oder vom eigenen Vater der Mütter stammten", sagte einer ihrer Anwälte, Eric Lefebvre.

Vor Taten aus Haft entlassen

Der Prozess hat die Diskussion um eine schärfere Bestrafung für Sexualstraftäter neu entfacht. Die Familien der ermordeten Mädchen reagierten besonders empört, weil der Angeklagte nur wenige Monate vor der Tatserie aus der Haft entlassen worden war. "Die Gesellschaft sollte vor gefährlichen, unheilbar kranken oder perversen Individuen geschützt werden", sagte ein Sprecher der Familien.

Der Angeklagte, der einer nichtsesshaften Familie mit 15 Geschwistern entstammt, ist wiederholt von Psychiatern als gefährlich aber auch als Simulant eingestuft worden. Die Einschätzungen blieben jedoch immer widersprüchlich. Während eines Klinikaufenthalts in den 70er Jahren verharrte er monatelang in Schweigen und beschmierte sich mit eigenen Exkrementen. "Seine Freilassung ist ein Problem der Psychiatrie. Wenn einer krank ist, muss er behandelt werden und interniert bleiben. Aber keiner wollte ihn haben", sagte einer der Anwalt Lefebvre.

Wenn der Mann, der knapp 35 Jahre seines Lebens hinter Gittern und in Anstalten verbracht hat, schuldig gesprochen werden sollte, dürfte er zu Lebzeiten nicht mehr frei kommen. "Man kann eine Mindeststrafe von 30 Jahren aussprechen und anschließend seinen Geisteszustand überprüfen", sagte Lefebvre. Der Angeklagte selbst streitet die Taten ab. "Er betont immer wieder, dass er kein Kinderschänder sei", sagt sein Verteidiger Marc Vialle. (tso/dpa)

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