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Panorama: Temperaturen von minus 45 Grad - Rotes Kreuz ruft zur Hilfe für 30.000 bedrohte Menschen auf

Nahezu unbemerkt von der Weltöffentlichkeit leidet die Mongolei unter den Folgen eines Katastrophenwinters. Mehr als 1,7 Millionen Yaks, Pferde und Schafe sind in den vergangenen Wochen bei Temperaturen von bis zu minus 45 Grad verendet.

Nahezu unbemerkt von der Weltöffentlichkeit leidet die Mongolei unter den Folgen eines Katastrophenwinters. Mehr als 1,7 Millionen Yaks, Pferde und Schafe sind in den vergangenen Wochen bei Temperaturen von bis zu minus 45 Grad verendet. Das Internationale Rote Kreuz warnte am Donnerstag vor Nahrungsmittelengpässen in der Bevölkerung.

Augenzeugen berichten von "bis auf die Knochen abgemagerte" Pferden und Schafen, die auf den zugefrorenen Eisfeldern keine ausreichende Nahrung mehr finden. In einigen Gebieten, wie den schwer betroffenen Provinzen Uvurhangai und Zentral Gobi, verwesen die Kadaver der verhungerten und verdursteten Tiere auf den Wiesen. Ein Viertel aller Herdentiere sind in diesen beiden Provinzen bislang umgekommen. "Wenn wir noch einmal einen schweren Schneesturm haben, wird es beträchtliche Verluste geben", warnt der Landwirtschaftsexperte Roger Lough, der für die Vereinten Nationen (UN) das Katastrophengebiet bereiste.

Die ganze Existenz steht auf dem Spiel

Nach UN-Schätzungen sind insgesamt mehr als eine halbe Millionen Menschen von der Katastrophe betroffen - rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung des Landes. Ein Drittel aller Mongolen lebt von der Viehzucht, außer den Tieren und ein paar Zelten besitzen sie nichts. Vor allem für junge Familien, deren Herde noch klein ist, bedeutet das Viehsterben der Verlust der Existenzgrundlage. "Das ist wie, wenn in Europa das Haus abbrennt", sagt ein Diplomat in Ulan Bator. Mehrere Nomaden sollen wegen der Not Selbstmord begangenen haben.

Nach Angaben des Roten Kreuzen leiden 30 000 Menschen unter Nahrungsmittelknappheit. Ohne eine schnelle Hilfe sei in den nächsten Monaten mit einer enormen Versorgungskrise zu rechnen, berichtet die Organisation. Während es durch Notschlachtungen kurzfristig zu einem Fleischüberschuss kam, sind die Folgen des Viehsterbens nun auch in den Städten zu spüren. "Die steigenden Nahrungsmittelkosten werden Auswirkungen auf den Lebensstandard haben", warnt der Gouverneur der Provinz Uvurhangai.

Schuld an der Misere hat der "Dsud" - wie die Mongolen nur schwer zu übersetzen die Wetterkatastrophe und den extrem kalten und langen Winter nennen. Mongolische Meteorologen sprechen vom kältesten Winter der letzten 30 Jahre. In manchen Gegenden sei der Boden derart hart zugefroren, dass das Vieh aushungert oder verdurstet sei. Dazu kamen seit November mehrere Dutzend Schneestürme, bei denen Tausende geschwächte Tiere erfroren sind.

Allerdings ist die Kälte nur ein Teil des "Dsud"-Problems. Vergangenen Sommer hatte eine extreme Dürreperiode die Grassteppe ausgetrocknet. An vielen Orten nahm die Verwüstung und Versandung der Weideflächen so rapide zu, dass Diplomaten auch von einem ökologischen Desaster sprechen. Auf der Suche nach Weideland drängen sich in manchen Gebieten nun zu viele Tiere auf zu engem Raum. "In kurzer Zeit zerstören sie den Boden", sagt Rabdangyn Samdan-Dobji, Generalsekretär des mongolischen Roten Kreuzes.

Obwohl die Temperaturen in der Hauptstadt Ulan Bator nachts derzeit nur noch auf minus zehn Grad sinken, wird erwartet, dass die Notlage auch über den Frühling hinaus anhält. Unter ungünstigen Umständen könnten in den nächsten Monaten noch weitere 25 bis 50 Prozent der verbleibenden Tiere sterben, warnt der UN-Tiermediziner Paul Kline.

Das Internationale Rote Kreuz veröffentlichte am Donnerstag in Genf einen weltweiten Spendenaufruf. Wegen der "sich verschlechternden Situation und der wachsenden Zahl der betroffenen Menschen" müsse das Hilfsprogramm dringend erweitert werden, hieß es. Mindestens 2,4 Millionen Dollar, umgerechnet4,8 Millionen Mark würden an Soforthilfe benötigt. Die Weltbank hat der Mongolei bereits Hilfe im Wert von 2,6 Millionen Dollar zugesagt. Deutschland will 25 000 Mark spenden.

Harald Maass

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