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Panorama: Thronwechsel in Luxemburg: Europas unauffälligstes Herrscherhaus

Weder Girlanden noch Schaufensterschmuck künden in dem beschaulichen Großherzogtum von dem nahenden Machtwechsel in Europas unauffälligsten Herrscherhaus. Nicht nur auf Kronen- und Zeptertausch müssen die Paparazzi der internationalen Klatschpresse an diesem Wochenende beim thronlosen "Thronwechsel" in Luxemburg verzichten.

Weder Girlanden noch Schaufensterschmuck künden in dem beschaulichen Großherzogtum von dem nahenden Machtwechsel in Europas unauffälligsten Herrscherhaus. Nicht nur auf Kronen- und Zeptertausch müssen die Paparazzi der internationalen Klatschpresse an diesem Wochenende beim thronlosen "Thronwechsel" in Luxemburg verzichten. Glitzernder Pomp wird den Jägern des schönen Königsscheins bei der schlichten Vereidigung des neuen Großherzogs Henri ebenso versagt bleiben wie der Aufgalopp des gesamten europäischen Hochadels. Die königliche Verwandschaft aus Belgien und den Niederlanden lässt sich die Anreise nach Luxemburg zwar nicht nehmen. Aber wegen des Unfalls von Prinz Guillaume sei das Festprogramm "ziemlich abgespeckt", berichtet Maurice Molitor, Fernsehchef beim heimischen RTL: "Der Amtswechsel wird eher im erweiterten Familienkreis über die Bühne gehen."

Bereits Ende vergangenen Jahres hatte der bisherige Regent Jean den 420 000 Bewohnern seines Großherzogtums nach fast 36 Amtsjahren seine Abdankung für Ende September angekündigt. Doch am 9. September machte ein schwerer Autobahnunfall alle großherzoglichen Planungen zur Makulatur. Der Wagen seines jüngsten Sohns Guillaume wurde bei Paris von einem angetrunkenen Automobilisten gerammt. Der 38-jährige Prinz erlitt einen Schädelbasisbruch, lag tagelang im Koma. "Staatsgeschäfte gehen vor Familienangelegenheiten", begründete der pflichtbewusste Grand Duc, warum er seine Abdankung dennoch nur um eine Woche verschieben, aber nicht abblasen ließ.

Seit 1964 hat sich der 79-jährige Jean in der Rolle des ebenso korrekten wie zurückhaltenden Landesvaters geübt, dabei im Gegensatz zu anderen Royalties nie für Schlagzeilen gesorgt. In den 70er Jahren wurden einmal einer seiner Töchter - zu Unrecht - zarte Bande mit dem damaligen Dauerjunggesellen Prince Charles angedichtet. Ansonsten blieb die Reise ins Großherzogtum für die Gesandten der internationalen Klatschpresse eher unergiebig. Interview-Wünschen verweigerte sich der Grand Duc aus Prinzip - und auch der eskapadenfreie Lebenswandel seiner fünf Kinder festigten den Ruf der Luxemburger Dynastie als des langweiligsten Herrscherhauses Europas.

Doch zumindest die Luxemburger selbst sind mit ihrem Staatschef zufrieden. Umfragen zufolge ist das Herrscherhaus die Institution, in der die Bewohner des Landes von Mosel und Alzette das größte Vertrauen haben - noch vor der Justiz, Kirche, Gewerkschaften oder der Politik. Obwohl sie zu den reichsten Herrscherhäusern Europas zählt, wird die großherzogliche Familie kaum von Standesdünkel geplagt - und von ihren Landsleuten für ihren "ungekünstelten" Lebenswandel geschätzt. Die Letzebuerger seien ein eher "zurückhaltendes" Volk, wüssten das "diskrete" Auftreten ihres Grand Duc zu würdigen, erklärt der Luxemburger Historiker Gilbert Trausch die große Sympathie für Jean.

Laut Verfassung kann der Großherzog in Luxemburg Gesetze verwerfen und das Parlament auflösen. Doch von seinen diktatorialen Vollmachten machte Jean wohlweislich nie Gebrauch. Große Änderungen seien auch von Henri kaum zu erwarten, sagt Trausch: "Der Grand Duc wird sich auch künftig nicht in die Politik einmischen."

In der Uniform der britischen Truppen marschierte der damalige Erbgroßherzog Jean 1944 bei der Befreiung Luxemburgs in die Hauptstadt ein. Die Zuneigung seiner Landsleute war Jean denn auch bei seiner Vereidigung zum Grand Duc 1964 gewiss. Dennoch stand er lange im Schatten seiner noch bis 1984 lebenden Mutter. Die "Aura der großen alten Dame" sei zu übermächtig gewesen, schreibt das Monatsmagazin "Forum" zum Ende seiner Amtszeit: "Und auch nach dem Tod von Charlotte erschien Jean eher wie ein freundlicher Onkel, als dass man in ihm noch den heroischen Landesvater hätte sehen können."

In der Amtszeit von Jean gelang dem so verschlafen wirkenden Kleinstaat die Umwandlung seiner von der Landwirtschaft und der Stahlindustrie dominierten Wirtschaft in ein modernes Banken- und Dienstleistungszentrum. Die öffentlichen Beiträge des Großherzogs zu dem geglückten Strukturwandel beschränkten sich auf freundliche Sonntagsreden. Dass auch dessen Sohn Henri als Großherzog im Schatten seines Vaters stehen könne, glaubt Geschichtsprofessor Trausch nicht: "Henri ist sehr gut vorbereitet auf seinen Job, gilt als sehr intelligent. Er ist etwas spontaner als sein Vater, geht offen auf die Leute zu." Beruflich war der Erbgroßherzog bisher als "Wirtschaftsbotschafter" unterwegs, öffnete Luxemburger Wirtschaftsdelegationen im Ausland die Türen, die nichtadeligen Kleinstaatlern normalerweise verschlossen bleiben.

Dass sich ihr neuer Grand Duc gegen seinen Vater zu behaupten vermag, konnten die Luxemburger 1981 erfahren, als er sich gegen den Willen seiner Eltern mit der kubanischen Bankierstochter Maria Teresa vermählte, die er beim Studium der Politikwissenschaft in Genf kennen gelernt hatte. Nicht nur schlagende Türen und klirrende Fenster schallten damals durch den sonst so ruhigen Palast. Doch der einstige Familienkrach ist längst vergessen. Fünf Kinder hat die populäre Maria Teresa auf die Welt gebracht, der Dynastie die Thronfolge gesichert.

Thomas Roser

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