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Trennung Paar Ehe

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Trennung: Urlaub beendet, Ehe kaputt

Aus der Traum: In Deutschland wird jede dritte Scheidung nach dem Sommerurlaub eingereicht. Warum kommen gerade weit ab vom Alltag die eigentlichen Ungereimtheiten in einer Beziehung zum Tragen?

Die Sommerferien bestehen für viele Ehepaare aus drei Zutaten: Sonne, Strand – und Streit. Im Urlaubsdomizil fliegen die Fetzen: Sie möchte faulenzen, er eine Paddeltour machen. Und beide sind nicht mehr daran gewöhnt, den ganzen Tag zusammen zu sein – wo sie doch im Alltag statistisch gesehen nur zehn Minuten pro Tag miteinander reden. Da geht ihnen in den Ferien schnell der Gesprächsstoff aus. Und alte, im Alltag untergegangene Konflikte werden wieder aufgewärmt: „Im Urlaub kommen Probleme an die Oberfläche, über die sich die Partner schon längere Zeit ärgern“, erklärt Harald Werneck, klinischer Psychologe an der Universität Wien. Laut einer Studie des Abaris-Instituts für Psychotherapie wird in Deutschland jede dritte Scheidung nach den Sommerferien eingereicht.

Der Berliner Familientherapeut Christoph Uhl sieht vor allem bei älteren Ehepaaren die Gefahr, dass die Beziehung im Urlaub zu Bruch geht – weil der Reiz des Neuen verflogen ist. Viele Paare spüren schon vor Ferienbeginn, dass etwas nicht in Ordnung ist, und wenden sich „präventiv“ an den Familientherapeuten. „Die haben so ein Grummeln im Bauch“, erzählt Uhl. Und holen sich Rat, wie sie gemeinsam durch die Ferien kommen. „Viele haben einfach zu hohe Erwartungen an den Urlaub“, erklärt er. „Dabei muss ein Paar im Urlaub durchaus nicht alles gemeinsam machen. Jeder Partner sollte sich die Freiheit nehmen, auch mal etwas alleine zu unternehmen“, rät der Familientherapeut. Manche schaffen es aber nicht einmal mehr, zusammen in den Urlaub aufzubrechen.

Wie aber lässt sich eine Ehe retten, wenn die Beziehung nach den Ferien in Trümmern liegt? In Uhls Praxis herrscht im September regelmäßig Hochbetrieb, und der Familientherapeut versucht zu retten, was zu retten ist: „Ich spreche mit den Paaren über die Altlasten und schaue, was an gemeinsamen Bekenntnissen noch da ist“, sagt er. Und meistens lodere da doch noch „eine kleine Flamme“. Die Hemmschwelle, sich bei Beziehungsproblemen Hilfe von außen zu holen, habe nach seinen Beobachtungen insgesamt zugenommen – vor allem aufseiten der Männer. Und vor allem in Berlin.

Der Psychologe Harald Werneck rät Paaren, den Partner auch im Alltag nicht aus den Augen zu verlieren und feste Termine für die „Beziehungsarbeit“ zu vereinbaren: „Früher haben Ehepaare viel mehr Zeit miteinander verbracht. In unserer schnelllebigen Zeit wird das immer schwieriger“, sagt Werneck. Die hohe Zahl der Scheidungen nach dem Urlaub erklärt der Psychologe aber auch mit den gestiegenen Ansprüchen der Partner aneinander. Heutzutage seien außerdem immer mehr Frauen in der komfortablen Situation, sich eine Scheidung leisten zu können.

So nehmen denn auch nach dem missratenen Urlaub mehrheitlich die Frauen die Scheidung in Angriff, wie der Berliner Rechtsanwalt Norbert Maes beobachtet hat: „Männer wollen im Urlaub oft vorgeben, wo es langgeht, und greifen dabei auch in den Bereich der Frau ein. Das beginnt schon mit der Frage, wie der Kaffee gekocht werden soll. Darum sind es nach dem Urlaub häufiger Frauen, die die Scheidung einreichen.“ Gefährdet seien vor allem Paare mit erwachsenen Kindern: „Wenn die Eltern wieder allein in die Ferien fahren, dann brechen häufig Konflikte auf.“ Besonders riskant sind nach Ansicht von Norbert Maes alle Urlaube, in denen man die Seele baumeln lassen will. „Im Aktivurlaub streiten sich Paare dagegen selten“, erklärt der Jurist. In der Regel werde die Scheidung jedoch nicht gleich nach dem Urlaubsende eingereicht: „Die Konflikte schwelen noch eine Zeit, und die Parteien informieren sich über die rechtlichen Bedingungen einer Scheidung“, sagt Maes.

In Italien fallen im Übrigen noch mehr Ehen dem Urlaub zum Opfer: Nach einer Auswertung von 2000 Fällen wird dort jede zweite Scheidung nach den Sommerferien eingereicht.

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