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Panorama: Trotz Lösegeldzahlung nicht frei

Der elfjährige Frankfurter Bankiersohn Jakob von Metzler wurde entführt – er schwebt in höchster Lebensgefahr

Von Rolf Obertreis, Frankfurt

Nichts ist mehr so wie es war im weißen, eher unscheinbaren Gebäude des Bankhauses Metzler mitten im Frankfurter Bankenviertel. Börsenkrise, Konjunkturflaute, die Probleme auch der eigenen Bank sind nebensächlich seit der elfjährige Sohn des Unternehmenschefs Friedrich von Metzler am Freitag auf dem Schulweg von Unbekannten entführt wurde.

Obwohl die Kidnapper eine Million Euro als Lösegeld erhielten, war Jakob von Metzler am Montag noch immer spurlos verschwunden. Zwei Männer seien festgenommen worden, teilte die Polizei am Abend mit. Weitere Verdächtige seien flüchtig, am Abend wurden mehrere Wohnungen durchsucht. Der Junge schwebt nach Einschätzung der Polizei in höchster Lebensgefahr.

Jakob von Metzler war am vergangenen Freitagvormittag im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen wenige Gehminuten von seinem Elternhaus entfernt gekidnappt worden. Auf dem Nachhauseweg von der Carl-Schurz-Schule habe er den Bus um 10.30 Uhr an der gewohnten Haltestelle an einem Supermarkt verlassen, berichtete die Polizei. Ein Mitschüler habe dies beobachtet. Zu Hause kam der Elfjährige aber nicht an.

Eine Stunde nach dem Verschwinden des Jungen erhielt die Familie, die außer Jakob noch zwei Kinder hat, einen Erpresserbrief mit der Lösegeldforderung. Das Schreiben lag auf dem Gehweg zum Wohnhaus.

Darin wurde die unversehrte Freilassung des Jungen zugesagt.

Wie verabredet sei das Lösegeld am frühen Montagmorgen in Frankfurt abgelegt worden, sagte ein Polizeisprecher. Dabei seien die Ermittler extrem vorsichtig vorgegangen, so dass die Entführer nichts von einer Polizeiaktion hätten bemerken können. Bis zum Montagabend hatte die Polizei die Öffentlichkeit nicht informiert, um das Leben des Jungen nicht zu gefährden. Entgegen der Absprache mit den Entführern sei der Elfjährige bis zum Abend aber nicht freigelassen worden. Nähere Einzelheiten will die Polizei erst am Dienstag auf einer Pressekonferenz bekannt geben.

Jakob von Metzler ist etwa 1,45 Meter groß, hat mittelblondes kurzes Haar und blaue Augen. Am Freitag trug er sandfarbene Hosen, einen blau-weiß gestreiften Baumwollpulli, ein Hemd mit Kragen und weiße Sportschuhe der Marke „Puma“.

Die Betroffenheit ist anders als in anderen Unternehmen. Metzler ist keine Großbank, es ist ein kleines überschaubares Bankhaus. Rund 650 Mitarbeiter beschäftigt die letzte noch wirklich unabhängige Privatbank der Republik. Jeder kennt in diesem Haus fast jeden. Und „FM“ wie der 59jährige Friedrich von Metzler kurz und flapsig im Haus genannt wird – ohne dass er sich daran stört - ist wegen seiner umgänglichen, ruhigen, besonnenen, stets freundlichen, aber auch verbindlichen Art beliebt. Er entspricht so gar nicht dem Typus des steifen Bankers. Deshalb fühlt jeder im Haus mit, zumal Metzlers drei Kinder und seine Frau in einem Familienunternehmen auch präsent sind.

Das Bankhaus Metzler ist nicht nur wegen seiner 328jährigen Geschichte am Bankenplatz Frankfurt eine Institution. Friedrich von Metzler sitzt in allen wichtigen Börsengremien, in vielen Aufsichtsräten von renommierten Unternehmen. Ohne dass er mit diesen Aufgaben prahlt. Er wirkt im Hintergrund, in sachlichem und unaufgeregtem Stil. Und er pflegt ein Mäzenatentum, unterstützt nicht nur kulturelle Bereiche, sondern auch soziale Projekte in der Heimatstadt Frankfurt. So wie es das Familienunternehmen immer getan hat. Noch heute liegen alle Anteile der Bank bei der Familie Metzler, bei Friedrich und seinen Geschwistern.

Älteste Privatbank Deutschlands

Ausgangspunkt der heutigen Bank war 1674 das Handelshaus, das Benjamin Metzler gründete. Schon 1742 war ein Metzler Mitglied im Vorstand der Frankfurter Börse. Über die Jahrhunderte haben sich die Finanzgeschäfte der Metzlers um die Börse herum ausgebildet. Heute zählt die Vermögensverwaltung, das Geschäft mit vermögenden Privatkunden, Investmenfonds und vor allem die Beratung von Unternehmen bei Übernahmen, Fusionen und besonders auch bei der Privatisierung von Staatsunternehmen zu den Bereichen, denen sich Metzler vor allem widmet. Nicht wenige der Großbanken sind neidisch auf den Weg in lukrative Nischen, den die kleine, aber feine Bank gefunden hat. Nicht umsonst wurde und wird die Expertise Metzlers auch bei der Bundesregierung geschätzt. Bei der Privatisierung von Lufthansa, Telekom, Post und derzeit auch der Bundesdruckerei war und ist die Unterstützung Metzlers gefragt. Die Bank hat derzeit, wie nahezu alle Unternehmen, Probleme und denkt über Sparmöglichkeiten nach. Derzeit aber treten all diese Probleme in den Hintergrund. Welche Rolle spielen sie, sagte gestern abend einer der Partner mit zitternder Stimme gegenüber dem Tagesspiegel, so lange der kleine Jakob nicht wieder im Kreise seiner Familie ist. Die Banker nicht nur bei Metzler sind geschockt, der gesamte Finanzplatz Frankfurt ist entsetzt. (mit dpa)

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