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Panorama: "twen": Lockerungsübungen anno 1959

Die anderen Zeitschriften hießen "Constanze", "Kristall", "Film und Frau" oder "Neue Illustrierte". Als im Jahre 1959 "twen" auf den Markt kam, war das wie eine Kulturrevolution.

Die anderen Zeitschriften hießen "Constanze", "Kristall", "Film und Frau" oder "Neue Illustrierte". Als im Jahre 1959 "twen" auf den Markt kam, war das wie eine Kulturrevolution. Diese Zeitschrift, mitten hinein in die absolute Mehrheit Konrad Adenauers gegründet, war das Signal dafür, dass die Bundesrepublik sich im Laufe der Sechziger Jahre nicht mehr wiedererkennen würde. Es ging weniger um Politik, es ging vor allem um individuelle Befreiung, um Lockerungsübungen: "Sechs Mädchen über Sex" hieß es gleich in der ersten Nummer, und der Artikel wurde auch gleich auf der Titelseite angekündigt. Michael Koetzle hat einen umfangreichen Band über die "twen"-Ära herausgebracht (twen. Revision einer Legende. Verlag Klinkhardt & Biermann, München, 326 Seiten mit 311 Farbabb., 49,80 DM), und hier wird das gesamte zeitgeschichtliche Spannungsfeld noch einmal deutlich: zwischen internationalen Preisen für zeitgemäße Gestaltung und dem Index für jugendgefährdende Schriften. Verantwortlich für das großzügige und den Mief der Adenauerzeit sofort außer Kraft setzende Design war Willy Fleckhaus, der dann auch die Buchumschläge des Suhrkamp Verlags modernisierte und die bis dato vorherrschenden schnörkeligen Lettern auf beigem Hintergrund in eine kühle, weiße Sachlichkeit überführte. Obwohl es bei "twen" kein Programm gab, ging es natürlich um Pop, um die sexuelle Revolution, und dass die Ikone der Kommunen, Uschi Obermaier, gehörig in Szene gesetzt wurde, war die pure Selbstverständlichkeit. Vielleicht ist das charakteristische Changieren zwischen Politik und Lebensgefühl, zwischen Gesellschaft und Mode nirgends besser eingefangen worden als in der "twen"-Bildunterschrift: "Uschi läßt sich zwar fotografieren. Aber Fotomodell ist sie nicht." Den Spagat zwischen hoher Kunst und blankem Kommerz, den "twen" vollzog, arbeitet der Band deutlich heraus. Die Sechziger Jahre waren eben ein klassischer Durchlauferhitzer, hier war vieles noch nicht getrennt, was später ausdifferenziert werden musste und sich in den Mühen der Ebenen verlief; das goldene Zeitalter der Provokation. Aber vielleicht kommt eine vergleichbare Situation ja mal wieder...

böt

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