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Gift im Futter. Das Ausmaß der Verunreinigung auf deutschen Hühnerhöfen ist nicht abzusehen.

© dapd

Verbraucherschutz: Dioxin-Funde: Nahrung für Panik

Dioxin im Ei: Mehr als 1000 Höfe sind geschlossen, tausende Tiere getötet – aber die Konzentration soll nicht gesundheitsschädlich sein. In Berlin wurden bisher keine verseuchten Produkte gefunden.

Von Katrin Schulze

Das genaue Ausmaß ist noch nicht einmal in Ansätzen abzuschätzen. In immer mehr Betrieben wird immer mehr belastetes Futter gefunden, mit immer weiteren Fällen dioxinverseuchter Lebensmittel muss gerechnet werden – davon geht jedenfalls das niedersächsische Agrarministerium aus. Es ließ am Montag rund 1000 landwirtschaftliche Betriebe schließen. Darunter befinden sich Legehennenfarmen, Schweine- und Putenzüchter. Der Verbraucherschutz gehe vor, begründete ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Hannover am Montag die Entscheidung. Auch in Sachsen-Anhalt wurden vier Betriebe, in Brandenburg ein Schweinemastbetrieb stillgelegt. In den betroffenen Betrieben soll mit Kontrollen nachgewiesen werden, ob der Dioxingrenzwert überschritten wird.

Doch auch wenn das der Fall sein sollte, haben die Verbraucher keinen Anlass, nun in Panik zu verfallen. Der Grenzwert der Europäischen Union ist sehr niedrig. Beruhigende Worte kommen vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Berlin. Man müsse das Konsumverhalten nicht ändern, sagte ein Sprecher. Selbst beim Verzehr eines Eis mit deutlich erhöhtem Dioxinwert bestehe keine akute Gesundheitsgefahr. Da nicht alle betroffenen Betriebe bekannt seien, böten auch Schutzmaßnahmen wie etwa auf den Erzeugercode oder das Bio-Siegel zu achten, keinen grundsätzlichen Schutz. Außerdem werden Waren gesperrt, sobald ein Betrieb als gefährdet gilt.

In Berlin sind derlei Vorkehrungen bisher nicht vorgesehen. Bis gestern wurden hier keine Fälle bekannt. „Es besteht hier im Augenblick kein Anlass zur Sorge“, sagt Marie-Luise Dittmar von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Vorsorglich werden beim einzigen Berliner Legehennenbetrieb in Spandau aber dennoch Kontrollen vorgenommen. Wichtig sei in jedem Fall, dass durch die entsprechenden Lieferlisten eine Rückverfolgbarkeit gewährleistet sei, befindet Dittmar.

Darauf setzen auch die zuständigen Behörden in den Bundesländern, die sich gestern bei einer Krisensitzung in einer Telefonkonferenz besprachen. Dabei geht es in erster Linie darum, die Vertriebswege zu analysieren, auf denen mit Dioxin verseuchtes Fett zu Futtermittelherstellern und schließlich zu Hühnerfarmen und anderen Betrieben gelangt ist.

Klar ist, dass das Dioxin wohl von einem Biodieselhersteller in Emden stammt. Er hatte dem schleswig-holsteinischen Futtermittelhersteller Harles & Jentzsch nach dessen Angaben belastete Fettsäure geliefert, die weitergereicht und zu etlichen Tonnen Futtermittel verarbeitet wurde. Die Frage ist nur, wohin wurde das Ganze überall verkauft? Der Überblick darüber fällt schwer, erst recht, da Mischfettsäure auch direkt zur Weiterverarbeitung an bestimmte Unternehmer verschickt worden sein soll, die daraus Tiermischfutter als Endprodukt herstellten. Jetzt muss festgestellt werden, wohin das bisher geliefert wurde.

In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen waren nach Bekanntwerden der ersten Fälle verseuchter Proben schon am Wochenende insgesamt 34 Betriebe geschlossen worden. Inzwischen hat auch die Staatsanwaltschaft Itzehoe Ermittlungen aufgenommen. Sie prüft, ob Verstöße gegen das Lebensmittelbedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz vorliegen.

Als gefährdet gelten neben den bereits bekannten Verbreitungsgebieten auch Höfe und Betriebe in Hamburg und Thüringen. Dort wurde gestern der Fall einer Schweinezucht bekannt, die ebenfalls dutzende Tonnen verseuchtes Futter gekauft haben soll. Die damit versorgten Ferkel seien bereits verkauft, teilte das Agrarministerium in Erfurt mit. Nur wohin weiß noch keiner.

Genauere Informationen gibt es dagegen über die betroffenen Betriebe in Nordrhein-Westfalen. Nach den auffälligen Proben bei Eiern am zurückliegenden Wochenende, von denen einige die doppelte Menge des erlaubten Dioxinwertes enthielten, wurden am Montag im Kreis Soest in einem Betrieb 8000 Legehennen getötet, die mit Dioxin verseuchtes Futter gefressen hatten. Die Tiere sollten nach Auskunft des Kreisveterinärs Wilfried Hopp verbrannt werden.

Die von diesem Betrieb ausgehenden Zahlen verdeutlichen die Dimensionen des Dioxinskandals: Allein von der nordrhein-westfälischen Hühnerfarm sollen 80 000 bis 120 000 Eier den Weg in den Verkauf gefunden haben.

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