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Hnerik bei Doktor Kunz im Schlaflabor.

© privat

Besuch im Schlaflabor: Die Niere in New York, die Leber in Tokio

Was passiert eigentlich, wenn unsere innere Uhr aus dem Takt kommt und wir nicht mehr schlafen können? Henrik, 17 Jahre, hat den Schlafforscher Dieter Kunz im St. Hedwigskrankenhaus in Berlin-Mitte gefragt

Wir Deutschen schlafen acht Stunden im Durchschnitt. Eine schlaflose Nacht hatte schon mal jeder von uns, vor einer wichtigen Klausur, einem Bewerbungsgespräch oder nach einer langen Reise in eine andere Zeitzone. Doch wenn dieser Ausnahmezustand zu regelmäßigen Schlafstörungen wird, leiden die Betroffenen sehr unter den Folgen des Schlafentzugs. Jeder Zehnte leidet unter unerholsamem Schlaf. Das sensible System des Aufstehens und Müdewerdens ist aus dem Takt geraten. Aber was treibt diesen Taktgeber – unsere innere Uhr - an? Das wollte ich herausfinden und habe mich auf die Suche begeben. Rede und Antwort stand mir dafür der Schlafforscher Dieter Kunz im St. Hedwigs Krankenhauses in Berlin-Mitte. Der Innenhof ist ein Ruhepol inmitten der Großstadt. Zwischen Bäumen, Hecken und Bänken ist der Verkehrslärm so gut wie nicht zu hören. Hier befindet sich die Schlaflabor Abteilung. Normalerweise wenden sich schlafkranke Menschen hier hin und so auch ich mit meinen Fragen. Das Büro ist hell erleuchtet, unglaublich starke Lampen strahlen die weiße Decke an, so dass kein Helligkeitsunterschied zwischen dem Raum und der Straße spürbar ist. „Die Lampe ist ein Prototyp. Er wurde extra entwickelt, um eine besondere Lichtintensität im Arbeitsraum zu schaffen“, erklärt Kunz. Das ist für die Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit wichtig.

Ich erfahre, dass jede Zelle ihre eigene kleine Uhr hat, die sich im Nucleus (Zellkern) befindet. Sie sind Teil des circadianen Systems und ticken damit im 24-Stunden-Rhythmus, den die Erdrotation ungefähr vorgibt. Diese Zellen müssen untereinander synchronisiert werden, wenn wir beispielsweise mit dem Flugzeug in entfernte Regionen der Welt fliegen: „Damit die Zellen der Niere nicht in New York und die Leberzellen noch in Tokio sind“, wie Herr Kunz es ausdrückt.

Dazu gibt es im Gehirn einen Abschnitt - den Nucleus Suprachiasmaticus (SCN), der als Hauptuhr des Körpers fungiert. Er sendet einen Impuls zur Zirbeldrüse im Gehirn aus, wo dann das Schlafhormon Melatonin produziert wird. Eine besonders wichtige Rolle als Taktgeber für diese „mainclock“ ist die Sonne mit ihrer Helligkeit. Mit dem Rhythmus der aufgehenden Sonne und der einbrechenden Nacht wird sie jeden Tag neu gestellt.

Der menschliche Körper hat sich im Lauf seiner Geschichte für die Helligkeit der Sonne entwickelt, die rund 100 000 Lux beträgt. Viele Berufstätige sitzen aber an Bürotischen, die mit einer Lichtstärke von rund tausend Lux evolutionsbiologisch zur Dunkelheit gehören. Das kann Probleme wie dauerhafte Schlafstörungen mit sich bringen.

Bei solchen Erkrankungen kann man sich bei einem Schlaflabor in Deutschland melden, denn die Symptome können wesentlich abgemindert werden. In der Abteilung von Dieter Kunz werden besonders Patienten behandelt, die im Schlaf motorisch unruhig sind und unter chronisch unerholsamen Schlaf leiden. 

Außerdem wird hier geforscht. Es gibt über einhundert Störungen im Schlaf. Rund ein Drittel kann man in einem Patientengespräch herausfinden. Der Rest wird mit vielen Elektroden und Thermometern und diversen anderen Messgeräten in einem der sechs Schlafzimmer gemessen und am Ende ausgewertet. Es gibt keine ultimative Lösung bei solchen Problemen, teils werden individuelle Heilverfahren gebraucht. Interessant ist, dass sich am EEG ablesen lässt, dass das Gehirn auch im Schlaf äußerst aktiv ist. Der Schlaf ist immens wichtig für uns Menschen und das, obwohl die meisten von uns eher flüchtige Erinnerungen daran haben. „Winterdepressionen sind im Prinzip nichts anderes als der Winterschlaf beim Menschen“, erklärt mir Dieter Kunz am Ende unseres interessanten Gespräches.

Ich werde mich nicht von düsteren Gedanken in einer dunklen Jahreszeit gefangen lassen. Jetzt werde ich erst mal schlafen gehen und dabei meine innere Uhr im richtigen Rhythmus ticken lassen.

Henrik Hölzer

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