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Panorama: Der Judotrainer kommt in die Klasse

Immer mehr Sport-, Musik- und Tanzvereine arbeiten nachmittags mit den Ganztagsschulen zusammen

Früher kamen die Kinder nachmittags in die Vereine, jetzt kommen die Vereine zu den Kindern. Seitdem die Berliner Grundschulen auf Ganztagsbetrieb umstellen, müssen sich auch Sportvereine, Musik- und Tanzschulen neue Konzepte überlegen. Denn nun sind die Schüler bis 16 Uhr in der Schule, nur wenige haben danach noch Lust auf weitere Aktivitäten. Viele Vereine haben deshalb begonnen, mit den Schulen gemeinsam ein Nachmittagsprogramm zu entwickeln. Dank engagierter Eltern und Lehrer klappt das an etlichen Schulen schon ganz gut. Zum Beispiel in Prenzlauer Berg.

Dort schmeißt Arno Schmidt gerade einen Mitschüler auf die Matte. Immer mittwochs geht der Achtjährige vom Hort der Thomas-Mann-Grundschule direkt zum Judotraining. „Praktisch, dass ich nicht zwischendurch noch mal nach Hause muss“, sagt der Drittklässler. Das findet auch Katrin Benn, Mutter zweier Kinder, die am Judotraining des Sportclubs Charis teilnehmen. Wenn Tory und Melvin miteinander kämpfen, haben sie einen langen Schultag hinter sich. „Hier toben sie sich aus“, sagt die Mutter. Schule, das ist in diesem Fall Lern- und Freizeitort zugleich.

Der Sportclub Charis ist einer der ersten in Berlin, der explizit mit Grundschulen kooperiert und Sporttraining im Anschluss an den Unterricht anbietet. Er wurde 2002 gegründet, mittlerweile sind 700 Schüler Mitglied, verteilt auf 30 Schulen in der ganzen Stadt. Die Idee: Dort, wo Kinder bis 16 Uhr in der Schule sind, sollen sie auch gleich trainieren. Das kommt so gut an, dass der Verein mittlerweile Schwierigkeiten hat, Trainer zu finden für all die neuen Gruppen, die ständig hinzukommen.

Eine Kooperation mit Sportvereinen oder anderen Bildungsvereinen kommt vielen Schulleitern gelegen, denn für die Finanzierung eines Freizeitangebots an der Schule fehlt das Gelder. „Eine Koch-AG mit sechs Kindern könnte ich normalerweise nicht anbieten“, sagt Rainer Belusa von der Kronach-Grundschule in Lichterfelde. Seit 2004 arbeitet die Ganztagsschule mit Honorarkräften und Vereinen zusammen. Die Eltern zahlen dafür sieben Euro im Monat. „Alle Eltern waren damit einverstanden“, sagt der 53-Jährige. 15 Arbeitsgemeinschaften werden auf diese Art finanziert, außerdem gibt es eine Kooperation mit dem Turn- und Sportverein Lichterfelde, der Hockey anbietet.

Die Vielfalt ist kein Einzelfall. Der Internetauftritt vieler Schulen liest sich wie das Kursprogramm einer Volkshochschule: Theater, Holzwerkstatt, Schach, Keramik und Gitarrenunterricht bietet etwa die Thomas-Mann-Grundschule neben dem Judotraining an. Sie kooperiert auch mit dem Mach-mit-Kindermuseum, das für die gelungene Kooperation mit Schulen gerade einen Preis gewonnen hat, gestiftet von der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung. Besonders wichtig ist, dass die Schule und der Verein ein gemeinsames Konzept für die Nachmittagsbetreuung erarbeiten, heißt es bei der Bundesvereinigung. Das sieht auch Karen Hoffmann so, eine der Chefinnen des Kindermuseums. Sie möchte den Unterricht und die Gestaltung der Freizeit an der Schule noch enger verzahnen. Auch der Kinderzirkus Cabuwazi, Tanz- und Musikschulen arbeiten bereits mit einigen Schulen zusammen.

Dass ein qualifiziertes Freizeitprogramm an den Ganztagsschulen nicht umsonst zu haben ist, wird von den Eltern zwar nicht überall akzeptiert, aber auch dafür gibt es Lösungen. An der Kronach-Grundschule in Lichterfelde etwa übernimmt der Förderverein die sieben Euro Monatsgebühr, wenn die Eltern das nicht zahlen können. Außerdem gibt es Honorargelder vom jeweiligen Bezirksamt für AG-Anbieter, allerdings nur 13 Euro für 90 Minuten. „Das ist zu wenig, um qualifizierte Trainer zu engagieren“, sagt Thomas Wucherer vom Sportclub Charis. Zehn Euro im Monat kostet die Mitgliedschaft in seinem Verein, für viele Eltern sei das kein Grund, ihren Kindern das Judotraining an der Schule zu verweigern.

Unterstützung für Aktivitäten an der Schule gibt es auch von Stiftungen, etwa der Aktion Mensch, die unter anderem ein Trickfilmprojekt des Mitmachmuseums an der Erika-Mann-Grundschule gesponsort hat. Auch der Basketballbundesligist Alba Berlin bietet Workshops an den Schulen an. Nicht zuletzt vergibt das Quartiersmanagement in Brennpunktgebieten, etwa in Wedding oder am Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg, Geld, damit Schüler ihre Freizeit sinnvoll gestalten.

Ausschlaggebend für ein abwechslungsreiches Programm ist vor allem das Engagement von Eltern und Vereinen, die ihr Angebot in die Schule tragen. „Wir sind ja nicht einmal zu hundert Prozent ausgestattet mit Personal“, sagt die Schulleiterin der Thomas-Mann-Grundschule, Gabriela Anders-Neufang. Häufig braucht es vor allem Ideen und Zeit, ein Freizeitprojekt anzuschieben und Gelder dafür aufzutreiben. Da spielt der Standort der Schule gar keine so große Rolle. An Schulen wie der Erika-MannGrundschule im Wedding etwa wird den Kindern mehr geboten als an manchen Grundschulen in Zehlendorf oder Waidmannslust.

Christine Berger

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