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Panorama: Ich war jung und brauchte das Geld

Von Brauerei-Spülen und Blockflöten: Hier erzählen Professoren von ihren seltsamsten Studentenjobs

In den Semesterferien kann man nachmittags frühstücken, auf Erstsemesterparties knutschen und die alten Freunde in der Heimat besuchen. Und: Leider auch arbeiten. Denn wer hat schon Lust, als Handy verkleidet und in Noppenstrumpfhose durch die Fußgängerzone zu laufen – so wie früher einmal unsere Autorin? Sie hat den Job schnell gekündigt und lieber Professoren befragt, ob sie auch mal komische Studentenjobs machen mussten. Ihr Eindruck: Ja, und die waren oft noch schlimmer als ihre Handyverkleidung.

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Ein Studium ist unglaublich teuer, gejobbt habe ich nebenbei also eigentlich immer. Ich erinnere mich an drei Jobs genau: Einmal hatte ich Nachtschicht in einer Großdruckerei für Versandhaus-Kataloge. 1,95 Mark gab es pro Stunde, allerdings wurde ich dort fast gefeuert, als mein Fließbandkollege aufs Klo musste und mich bat, auch noch sein Fließband zu übernehmen. Das endete mit einem riesigen Stapel falsch geleimter Kataloge und einem wütenden Chef.

Mein zweiter Job war noch grauenvoller. Ich arbeitete in einer Brauerei, und meine Aufgabe war es, zu kontrollieren, ob die durchgespülten leeren Flaschen auch tatsächlich leer waren. Nach einer Stunde ist man vor Langeweile fast vom Stuhl gefallen.

Der merkwürdigste Job war allerdings der dritte, als ich für einen Farbengroßhandel Materialien ausgeliefert habe. Als mein Chef eines Tages herumdruckste und mich fragte, ob ich auch mal etwas für seinen Vater ausfahren würde, habe ich nichts ahnend zugesagt: Doch der Mann besaß in Berlin Zwergziegen, die über das Wochenende ins Wochenendhaus am Wasser an der Heerstraße gebracht werden sollten, um sich auszutoben. Fortan fuhr ich regelmäßig mit sieben schwarzen Zwergziegen auf der Rückbank eines schwarzen Mercedes durch Berlin. Die Hinfahrt war immer einfach, da sich die Ziegen freuten, aus der Stadt heraus zu kommen. Die Rückfahrt war schwierig, weil ich alle Tiere wieder einfangen musste. Ein Student am Steuer eines schönen Mercedes, sieben kleine schwarze Zwergziegen auf der Rückbank, und dieses Gespann kurvt um den Theodor-Heuss-Platz – ein komisches Bild.

Henning Kürschner, 64, Professor für Malerei und Zeichnen an der UDK Berlin.

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Ich hatte Glück, denn als ich anfing zu studieren, wurde gerade das Bafög eingeführt, nicht als Darlehen, sondern quasi als Geschenk, weil man mehr junge Menschen an die Uni bringen wollte. Aber ich hatte immer kleine Jobs. Den skurrilsten Job hat mir mein damaliger Professor verschafft, als er mich aus dem Unterricht herauszitierte und mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, ein Wochenende lang auf sein Haus aufzupassen. Ich mochte, denn ich bewunderte diesen hoch angesehenen Professor und habe natürlich zugesagt. Als ich in seinem Haus ankam, führte er mich in seine Bibliothek, sie war riesig – und leider unaufgeräumt. Erst war er nett und sagte, ich dürfte die Bücher sehr gerne lesen. Leider sagte er dann: Und vor allem wäre es schön, wenn ich sie aufräumen könnte, alphabetisch und nach Sachgebieten sortiert. Überraschenderweise kam ich gar nicht zum Lesen, es war eine anstrengende und staubige Arbeit. Als Bezahlung gab er mir eine Tafel Schokolade. Er war ein sehr guter Professor, ich hätte nicht mal etwas gesagt, wenn er mir nichts gegeben hätte. Aber diese Tafel Schokolade als Belohnung fand ich schon sehr taktlos.

Dr. Hans-Peter Schwintowski, 58, Jura-Professor HU Berlin

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Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie verschlafen. Und das liegt vor allem an meinem früheren Studentenjob. Ich habe während meines Tiermedizinstudiums in München in der Landbäckerei meiner Eltern in Bayern gearbeitet, meistens in den Semesterferien, gelegentlich auch im Semester. Eine Bäckerei, in der noch alles selbst gemacht wurde. Das bedeutete, morgens um vier in der Bäckerei stehen, Pfannkuchen in Fett wenden, verschiedene Füllungen einspritzen, mit Zucker glasieren, mit Puderzucker bestreuen. Der Fettgeruch blieb auch nach dem Duschen. Nachmittags habe ich noch in der Bäckerei bedient. Von damals ist es auch geblieben, dass ich auch heute noch immer sehr laut und höflich „Guten Tag“ sage – denn immer, wenn ich zu leise gegrüßt habe, hat mir meine Mutter hinter dem Tresen mit dem Ellenbogen in die Seite gepiekt. Von dem Geld aus der Bäckerei habe ich meinen ersten Urlaub bezahlt: Ich bin mit einem Freund nach Monaco gefahren – ins Spielcasino von Monte Carlo, da wollte ich immer schon mal hin. Allerdings haben wir auf einem Campingplatz gewohnt.

Dr. Johanna Plendl, 47, Professorin für Veterinärmedizin an der FU Berlin

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Ich hatte wirklich viele Studentenjobs. Angefangen habe ich auf dem Bau, als Hilfsarbeiter beim Errichten von Eigenheimen. Dann habe ich noch im Eisenerzbergwerk Salzgitter untertage gearbeitet, anschließend in einer Baumschule. Ach, und zwischendurch war ich Aushilfe in einer Schweizer Nervenheilanstalt.

Mein spannendster Studentenjob war aber auf einem Kombifrachter. Ein Frachtschiff, das Eisenerz von Hamburg über Le Havre nach Chicago brachte und auf dem auch Passagiere mitgenommen wurden. Das Schiff war zwei Monate unterwegs, ich war „Messesteward“. Hört sich toll an, praktisch jedoch bedeutete das: Putzen, Essen für die Passagiere auftragen, Service. Natürlich war es schön, etwas mehr in der Tasche zu haben, aber die Welt zu sehen, das stand im Vordergrund.

Dr. Karl Sperling, 64, Professor für Humangenetik an der FU Berlin

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Manchmal habe ich 40 Kilometer auf dem Fahrrad zurückgelegt, aber der Studentenjob hatte nichts mit dem Fahrrad zu tun, sondern mit Nachhilfeunterricht, den ich als Studentin in Köln gegeben habe. Für 15 Mark in der Stunde bin ich zu meinen Schülern geradelt, inklusive vorbereitetem Material. Eigentlich war ich ein bisschen zu billig, aber hatte wohl immer ein zu gutes Herz. Etwas lukrativer war meine Arbeit als Blockflötenlehrerin, da man dort immer gleich mehrere Schüler in der Stunde hatte. Da ich nach dem Abitur immer Lehrerin für Fremdsprachen werden wollte, musste ich selbst Geld verdienen, für Bücher, Kopien und Sprachkurse im Ausland. Darum habe ich verschiedene Sachen ausprobiert: bei Karstadt als Süßwahrenverkäuferin, in der Parfumabteilung, zwei Sommer lang sogar als Deutschlehrerin an der französischen Atlantikküste. Einmal hatte ich eine Stelle über die studentische Arbeitsvermittlung bekommen, als Putzhilfe in einer Anwaltskanzlei. Dem Anwalt hat meine Arbeit so gut gefallen, dass ich auch bei ihm zu Hause privat putzen durfte. Berufsspezifischer war dann schon eine Stelle als studentische Hilfskraft im Akademischen Auslandsamt. Die Jobs haben mir alle geholfen und ich würde auch heute gerade Lehramtsstudenten raten, in viele verschiedene Bereiche hereinzuschauen, um den Horizont zu erweitern.

Dr. Daniela Caspari, 44, Professorin für Didaktik der romanischen Sprachen an der FU Berlin

Protokolle: Elena Senft.

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