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© Doris Spiekermann-Klaas / Tagesspiegel

Wir müssen REDEN (32): In die Karten geschaut

Wie sieht deine Zukunft aus? Das fragte Elena Senft vorigen Freitag. Ric Graf antwortet ihr heute.

Rosig natürlich. Meine Zukunft sieht äußerst rosig aus. Sag’ ich jetzt mal so aus dem Bauch heraus: Draußen sind 20 Grad, mein Konto ist mal nur minimal überzogen, ich trinke gerade keinen Alkohol aus Gründen der Fitness und sonst ist auch irgendwie alles gerade ganz rosig. Warum soll dann meine Zukunft nicht auch so sein?

Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung, wie meine Zukunft in Wirklichkeit ausschaut. Wer hat das auch schon? Ich plane gerade mal von Tag zu Tag, wenn ich gut bin, von Monat zu Monat. Was in einem Jahr ist? Keine Ahnung. Wie auch?

Es gibt ja so gängige Zukunftsbilder: „Mein Haus, meine Familie, mein Auto.“ Das klingt so abgedroschen wie es ist. Nur meine Bank würde sich darüber freuen, wenn ich mir genau so meine Zukunft vorstelle. Haus, Familie, Auto – klingt nach Kredit, Bausparvertrag und Sparbücher für die Kinder.

Genauso wenig sehe ich mich aber in 30 Jahren Schafe hütend auf der Alm oder in einem norwegischen Fjord angelnd. Noch weniger sehe ich mich mit 60 im Cluburlaub auf Mallorca oder mit Socken und Sandalen auf der Dom-Rep.

Gut, was ich nicht will, weiß ich. Jetzt sagt ihr bestimmt: Das ist auch leicht. Und ich kann euch in diesem Punkt nur recht geben.

Also, was will ich?

Ich will meine Sehnsüchte nie verlieren oder vergessen, ich will so weit es geht unabhängig bleiben, was nicht heißen soll, keine Beziehung – welcher Art auch immer – einzugehen. Ich will meine ganz persönliche Freiheit leben. Und noch wichtiger: Ich will mich und andere dabei nicht verraten. Das klingt abstrakt und ist es für mich auch. Wie man das umsetzt, wüsste ich nur allzu gerne. Aber genau darin sehe ich vielleicht meine Zukunft: das herauszufinden.

Vor kurzem habe ich mir von einer Freundin die Karten legen lassen. Dieses höchst spirituelle Ereignis war vollkommen unaufregend. Sie klatschte die Karten auf ihren Küchentisch, mir war es egal, sie wirkte nur bemüht konzentriert. Ich hatte natürlich die Todeskarte erwischt. In der selben Nacht bekam ich Albträume.

Elena, wovon träumst du nachts?

Nächsten Freitag antwortet Elena Senft wieder an dieser Stelle.

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