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Prost

© Privat

Wir müssen REDEN (55): Highway To Hell

Wie war dein erstes Mal? Das fragte Ric Graf vorigen Freitag. Heute antwortet ihm wieder Elena Senft.

Mein letztes erstes Mal hatte ich vor etwa drei Wochen. Ich hatte die Menschen eigentlich immer belächelt, die ihre eigenen, kompromittierenden Fotos davon bei Studi VZ zur Schau stellen. Dann erlag ich dem Gruppenzwang und fuhr auch zum Oktoberfest nach München. Menschen übergaben sich beim Laufen, Menschen fielen beim semirhythmischen Springen zu „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ von Bierbänken und rissen Umstehende mit sich.

Nach Stunden stummen Glotzens wurden meine Freundin und ich von zwei Italienern mit besoffen-feuchter Aussprache in ein Gespräch verwickelt. Irgendwann schauten wir uns an, mit Gesichtern voller Verstörung und italienischer Spucke und verdrückten uns unbeobachtet, als der eine Italiener unter Zuhilfenahme seiner gesamten linken Hand zwei Zigarettenstummel aus seinem halbvollen Maßkrug fingert und sein Freund damit beschäftigt ist, eine Leberkässemmel unzerkaut herunterzuschlucken. Wir waren dann auch bereit für die dritte Maß.

Das erste Mal so richtig betrunken zu sein, war eigentlich auch nicht schön damals. Für keinen der Anwesenden. Aber immerhin hat man mehr davon gemerkt als vom ersten Mal kiffen, was man sich bekanntlich ja sparen kann. Das erste Mal Menstruation, ein lange vorfreudig erwartetes Ereignis: unspektakulär. Das erste Mal Auto fahren: ernüchternd! Es hatte nichts mit „Highway To Hell“ zu tun, sondern mit „Anfahren am Hang“, absaufenden Motoren und Autofahrern, die einen mit gereckten Mittelfingern und genervten Blicken zum uncoolsten Menschen aller Berliner Straßen degradierten.

Oder das erste Mal zur Uni: Man dachte, man würde mal schnell vorbeigehen und hätte den Laden sofort in der Tasche. Dann findet man nicht mal die Mensa, muss Menschen aus höheren Semestern nach dem Weg fragen und denkt sich, dass man jetzt eigentlich nur noch seinen pinken Scout-Ranzen zurückbräuchte, um sich komplett wie ein blödes Schulkind zu fühlen. Man versteht nicht, wie man sich einen Stundenplan baut und wünscht sich die starke Hand eines Klassenlehrers zurück. Man hat keine Freunde und um einen herum stehen nur BWL-Studenten mit hochgestellten karierten Hemdkrägen. Am ersten Tag geht man schnell wieder nach Hause. Ernüchtert, aber immerhin mit einer Einsicht: Das erste Mal ist überbewertet.

In jeglicher Hinsicht.

Ric, und wem zeigst du den Mittelfinger?

Nächsten Freitag antwortet Ric Graf.

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