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Panorama: Yvonne und die drei Welten

Sie ist noch kein Top- und schon gar kein Supermodel. Wie lebt ein Model von nebenan?

Die große Show war letzte Woche. Jetzt ist das Dachgeschoss auf der Fischerinsel in Berlin-Mitte leer, und an die Präsentation der neuesten Kollektionen erinnern nur noch Kleiderständer und ein paar Kisten. Eine gute Gelegenheit für ein Gespräch mit Yvonne Hölzel, sie muss sich nicht verkleiden, sie muss nicht über einen Laufsteg gehen. Sie soll einfach mal erzählen, wie es ist, mit 22 Jahren die Kleider von Designern vorzuführen, die auf der ganzen Welt bekannt sind.

Vorher werden aber erst noch ein paar Fotos gemacht. Das ist wie ein Aufwärmprogramm für Yvonne. Der Fotograf muss ihr gar nicht sagen, wohin sie sich stellen soll. Sich immer richtig zu bewegen und an ihre Umgebung anzupassen, das ist ihr Beruf. Wenn ein paar Bilder in einer Pose gemacht sind, dann lächelt sie zufrieden wie eine Eiskunstläuferin, die gerade nach einem schweren Sprung wieder sicher auf dem Eis gelandet ist. Es ist ihr echtes Lächeln.

Yvonne Hölzel ist gerade aus Tokio zurückgekommen. Sie hat Werbung gemacht für Tatami, eine Schuhmarke von Birkenstock. Damit das Image stimmt, hat sich die Firma Yvonne ausgesucht. Ein wenig sieht sie Heidi Klum ähnlich, mit ihren langen blonden Haaren und den hohen Wangenknochen. Yvonne ist gerade dabei, den Sprung zu machen, den ihre Kollegin Eva Padberg schon geschafft hat. Eva Padberg ist erst 24 und hat gestern an der Seite von Johannes B. Kerner die Bambi-Verleihung moderiert und mit ihrem Gesicht für die Kosmetikfirma Astor Werbung gemacht. Wenn Heidi Klum Gold ist und Eva Padberg Silber, dann wäre Yvonne Hölzel Bronze.

„Ein Topmodel“, sagt Yvonne, „ ist näher am Designer dran und redet selber mit. Als Topmodel ist es erwünscht, dass du deine Persönlichkeit einbringst.“ Ganz abgesehen davon, dass Topmodels so viel Geld verdienen wie ein Hollywood-Schauspieler und so oft auf den Titelseiten der Magazine erscheinen wie der Bundeskanzler im Nachrichtenteil von Tageszeitungen. Die Kampagne für Tatami bringt sie nun ein gutes Stück weiter, in Amerika machen Richard Gere und Julia Roberts Werbung für die Schuhmarke. Aber „ihre Persönlichkeit einbringen“, das darf Yvonne noch nicht.

Manchmal ist Yvonne so viel unterwegs wie eine Geschäftsfrau eines großen internationalen Konzerns. Von Japan ist sie besonders beeindruckt: „Die Menschen dort sind freundlich und bescheiden.“ Nach Japan hat Yvonne Hölzel auch ihre kleine Digitalkamera mitgenommen. Sie fotografiert gerne Menschen, das macht sie schon seit einigen Jahren: „Mimik und Gesten können viel erzählen, sogar bei zufälligen Schnappschüssen. Mich fasziniert auch, dass man immer ganz bestimmte Momente und Erinnerungen damit verbindet, aber trotzdem bei jedem Betrachten etwas Neues entdeckt.“ Für Yvonne ein Weg, mehr mitzunehmen von der Welt als die Bilder von einer Modenschau und einem teuren Restaurant. Denn Yvonne Hölzel macht zwar im Moment viele Schritte nach vorne in ihrer Karriere, aber vielleicht sind das auch Schritte weg vom Jungsein.

Sie müsse sehr diszipliniert sein, Pünktlichkeit sei ganz wichtig, sagt sie. Aber es ist nicht so, dass sie Freiheiten vermisst: „Es gibt nichts, worum ich andere junge Menschen beneide.“ Noch sind ihre Modeltermine gut eingeteilt, ihre Agentur will nicht, dass sie sich verbraucht. Manchmal ist sie drei Tage am Stück unterwegs, dann hat sie wieder einige Tage keine Termine. Sie müsse auch auf nichts verzichten, was sie gerne machen möchte. „Ich fahre kein Snowboard, ich mache keinen Risikosport. Aber dafür bin ich sowieso nicht der Typ. Ich mache nur das, was ich kann.“

Yvonne Hölzel hat sich ihr Leben eingeteilt, sie lebt in drei verschiedenen Welten. Die eine Welt ist ihr Beruf, diese Welt besteht aus vielen Terminen, viel Öffentlichkeit, viel Tempo und vielen sehr erwachsenen Menschen. Die zweite Welt ist ihr Studium. Im siebten Semester studiert sie an der Humboldt-Universität Berlin Sportwissenschaften. Sie kann sich vorstellen, später einmal Sportmarketing zu machen. Und dann gibt es noch eine ganz private Welt mit viel Ruhe, viel Vergangenheit, etwa wenn sie ihre Großeltern besucht. „Da werde ich dann verwöhnt wie ein Kind und es gibt immer den besten Kuchen“, sagt sie. In dieser privaten Welt darf sie jung sein, zum Beispiel, wenn sie im Sommer spontan an einen See fährt, „einfach um rumzuplanschen“, oder wenn sie tanzen geht. „Da vergesse ich alles andere, beim Tango besonders.“

Yvonne Hölzel kommt aus Sebnitz in der Sächsischen Schweiz. Der Ort ist einmal zu Unrecht in Verruf geraten. Als 1997 ein sechs Jahre alter Junge in einem Schwimmbad ertrank, machte seine Mutter Neonazis dafür verantwortlich. Sie hätten ihren Sohn ertränkt. Dann stellte sich aber heraus, dass es ein Unfall war. „Ich habe damals nichts davon mitbekommen“, sagt Yvonne Hölzel. Während sie das sagt, rutscht ihre Beraterin unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Der Fall Sebnitz ist ein schwieriges Thema, da kann man schnell etwas Falsches sagen, denkt die Beraterin wohl. „Sebnitz ist eine wunderschöne, wohl behütete Stadt“, sagt Yvonne, und die Beraterin lächelt zufrieden. Yvonne hat das Richtige gesagt.

Zufrieden ist Yvonne, die inzwischen in Friedrichshain wohnt, wenn sie die Trennung zwischen den Welten aufrechterhalten kann, wenn sie ihren Rhythmus findet. Das ist manchmal schwer. Ihr Freund Robert, 25 Jahre alt, beginnt jetzt vielleicht auch bald eine Karriere als Model. Eine Boulevardzeitung hat die beiden auch schon als Traummodelpaar abgebildet. Um alles besser ordnen zu können, schreibt sie in ihr Tagebuch. „Abends im Hotel schreibe ich meine Gedanken auf. Man muss seine Gedanken doch auch mitteilen können.“

Als sie sechzehn war, ist sie von einem Scout entdeckt worden. „Ich war erst gar nicht sicher, was dahinter steckt“, erzählt sie. Die Modenschau im vergangenen Jahr im Schloss Bellevue sei ihr Durchbruch gewesen. Vor den Augen von Johannes Rau verrutschte ihr Ausschnitt und es gab einen kleinen Skandal. Absichtlich habe sie das nicht gemacht, sagt sie.

Eine Agentur betreut sie und vermittelt ihr alle Termine. Im Moment ist Yvonne ein Model, dessen Aufträge immer wichtiger und immer besser werden. An manchen Tagen gleicht Yvonne Hölzels Leben dem einer Spitzensportlerin. Sie kommt viel herum in der Welt, sie muss auf ihren Körper achten. Sie hat auch früher viel Sport gemacht – Turnen und Leichtathletik – und getanzt: Ballett und Jazzdance. Die andere Seite ihres Berufs ist das Schauspiel. „Mich reizt die Verwandlung. Man schlüpft immer wieder in andere Rollen.“ Das Schönste an ihrem Beruf ist für Yvonne Hölzel aber dies: „Man lebt sinnlicher.“ Ihre Augen suchen ständig nach Farben, Motiven, ihr Körper sucht manchmal Bewegung.

Und meistens nach Haltung.

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