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Panorama: Wie groß ist Speyer?

Groß genug für ein Bordell? Ein Bundesgericht muss entscheiden

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beschäftigt an diesem Donnerstag eine scheinbar unverfängliche Frage: Wie viele Menschen leben in Speyer? Dahinter aber steckt mehr. Denn sind es mehr als 50 000, dürfen in der Domstadt Prostituierte arbeiten – sind es weniger, nicht. Das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz zählte Ende Juni 50 209 Einwohner. Damit wäre der Fall geklärt – oder?

Nicht, wenn es nach Speyer geht. Die Stadt will das Bordell verhindern. „Wir sind zuversichtlich, dass das Gericht in unserem Sinne entscheidet und das Problem grundsätzlich klärt“, sagt Matthias Nowack, Pressesprecher der Stadt. Dann ginge ein jahrelanger Streit zu Ende.

Es begann im Jahr 1999. Waldemar D., Besitzer eines alten Bahnhofsgebäudes mitten in der Innenstadt, beantragte für zwei der drei Wohnungen in dem Haus eine Umnutzung: Dort sollten Frauen der „Wohnungsprostitution“ nachgehen. Die Lage des alten Bahnhofs ist exklusiv: Zwischen dem berühmten Dom von Speyer und dem Rhein, neben edlen Villen und dem Yachthafen „Marina“.

„Läge das Haus nicht in unmittelbarer Nähe zum Dom, würde die Stadt die Nutzung akzeptieren“, sagt Frank Roos, der Anwalt von Waldemar D. „Uns geht es nicht um den Dom“, widerspricht Nowack. „Aber der alte Bahnhof liegt in einem Wohngebiet.“ Einrichtungen dieser Art gehörten vor die Stadtgrenzen, meint er.

Das Bauamt lehnte den Antrag von Waldemar D. damals ab, noch mit einer anderen Begründung: Kunden von Prostituierten benötigten Parkplätze, hieß es. Das Gebäude liege aber an einer schlecht einsehbaren Straße – Unfälle wären zwangsläufig. Waldemar D. schlug daraufhin vor, einen Sichtspiegel anzubringen. Das Verwaltungsgericht Neustadt hielt dies ebenfalls für ausreichend und gab ihm Recht. Da kam der Stadtverwaltung eine neue Idee: Im Stadtbereich sei Prostitution generell verboten. Denn es gelte eine Verordnung, die das Gewerbe nur in Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern erlaubt.

Zählt man nur die Hauptwohnsitze der Bürger, war Speyer zum fraglichen Zeitpunkt im Jahr 2001 noch zu klein. Damit wäre das Stadtgebiet ein Sperrbezirk. Rechnet man jedoch auch die Nebenwohnsitze dazu, war Speyer groß genug. Waldemar D. siegte damit wieder vor Gericht.

Falsch gerechnet, wehrte sich die Stadt Speyer, legte Berufung ein und entschied den Streit vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz für sich. Das wiederum wollte Waldemar D. nicht akzeptieren – und legte Revision ein.

„Speyer hat knapp mehr als 50 000 Einwohner mit Hauptwohnsitz“, gibt Stadt- Sprecher Nowack zu, aber künftig würden es immer weniger. Deswegen hofft man im Rathaus, dass die Richter das Bordell verhindern. Anwalt Roos sieht das gelassen. „Wir sind sowieso im Recht“, sagt er. Denn auch wer nur einen Nebenwohnsitz unterhalte, sei ein Bürger von Speyer.

Jan Dörner

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