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Panorama: Zwischentöne des Gefühls

Jamie Foxx spielt die blinde Jazzlegende Ray Charles – es ist der erste große Film des neuen Jahres

Manchmal geht sein Blick ganz kurz ins Leere. Gar nicht komisch wirkt er da, obwohl er doch als Komiker anfing, und berühmt wurde. Für einen Augenblick hat man das Gefühl, man könne hineinsehen in Jamie Foxx, etwas davon erhaschen, was wirklich in diesem neuen Shooting-Star vor sich geht, der in diesem Jahr das Kino-Publikum mit gleich zwei wunderbaren Auftritten begeisterte. Für seinen Auftritt als Jazzlegende Ray Charles in Taylor Hackfords Biopic „Ray“ (in Deutschland ab 6. Januar im Kino) könnte Jamie Foxx, der am Montag 37 Jahre alt wird, mit etwas Glück im Frühjahr sogar einen Oscar gewinnen. Verdient hätte er es.

In Michael Manns „Collateral“ hatte er eine ganz wunderbare Szene. Da sitzt er, so ziemlich am Anfang des Films, in dem er einen Taxifahrer spielt, hinter seinem Lenkrad. Eine gutaussehende Frau steigt ein. Sie unterhalten sich, scheinen sich über den Weg zu streiten, beginnen ganz unmerklich zu flirten. Es sind nur seine Blicke und ein paar kleine, fast unscheinbare Gesten, die diese Szene ausmachen – aber in ihnen liegt alle Kunst dieses Schauspielers, seine Genauigkeit, sein Understatement. Wir sehen die Blicke und wissen alles. Jede Nuance stimmt. Zauber und Schönheit pur, eine Darstellerleistung, die die Situation offen hält, Einsamkeit ebenso spürbar macht wie Wärme, Tragik, wie Witz und Tristesse – ein magischer Kinoaugenblick, der ewig so weitergehen könnte.

Das war ein schwieriger Auftritt, gleich doppelt. Zum einen, weil es für einen Schauspieler, erst recht für einen so körperlichen wie Foxx, gar nicht so einfach ist, einen über zweistündigen Film wie in einem Kammerspiel mehr oder weniger sitzend in einem Auto zu bestreiten. Zum anderen, weil sein Filmpartner Tom Cruise war. Die Rolle des „leading man“ war damit bereits vergeben, und Foxx musste sehen, wo er blieb. Es wurde auch dadurch nicht wirklich leichter, dass Cruise in dem Film einen der beeindruckendsten Auftritte seiner Karriere hat, als grauer, charismatischer Todesengel. Nicht leicht, dagegen anzuspielen.

Aber mit dem Kampf aus der zweiten Reihe, sozusagen der Rolle des unbekannten David gegen einen Kinogoliath, hat Foxx Erfahrung. Das war schon in „An einem verdammten Sonntag“ so, Oliver Stones Footballdrama, dem ersten Kinofilm, mit dem der Schauspieler einem wirklich im Gedächtnis blieb. Stone kannte Foxx aus dem Fernsehen und gab ihm gleich die Hauptrolle in seinem Film. Foxx spielt einen Ersatzmann, einen, der immer warten muss, bis sich der reguläre Quarterback verletzt. Als es soweit ist, füllt er die Rolle glänzend aus, so, als ob er nie etwas anderes gemacht hätte. Wenn man Foxx da so sah, neben Al Pacino und Dennis Quaid, dann konnte man auch glauben, Foxx habe nie etwas anderes gemacht, so cool und selbstbewusst war das. Kurz darauf arbeitete er zum ersten Mal mit Regisseur Michael Mann, in dessen Boxerfilm „Ali“. Wieder an der Seite eines Größeren, Will Smith.

Erst jetzt, in der Rolle als Ray Charles, ist er zum unbestrittenen „leading man“ avanciert. Foxx, der seit seinem dritten Lebensjahr Klavier spielt und zwei Jahre lang eine klassische Musikausbildung erhielt, spielte den blinden, über lange Jahre hinweg heroinsüchtigen Musiker mit Kontaktlinsen, die ihn am Sehen hinderten. Nur so verstand er, wie der Musiker die Schönheit der Frauen ertastete, die er in so großer Zahl genoss.

Die Kritiken sind glänzend und Foxx ist ganz oben: In 19 TV-Shows war er zu Gast, plauderte mit Oprah Winfrey, Jay Leno und David Letterman über seine Rollen in „Collateral“ und in „Ray“. Jamie Foxx nutzt die Gunst der Stunde, „Cinderella time“, wie er es selber nennt. Und die könnte noch lange anhalten: Seine nächsten zwei Hauptrollen sind „Jarhead“, der neue Film von Sam Mendes („American Beauty“) und Michael Manns Kino-Fassung von „Miami Vice“.

Wer Foxx als Ray Charles sieht, glaubt, den Musiker selbst zu sehen, so ähnlich sind sie sich. Sie haben viele gemeinsame Stunden miteinander verbracht, zusammen Klavier gespielt, zusammen gelacht. Ray Charles war von der ersten Minute an begeistert von dem Darsteller, der ganz genau hinsieht, winzige Bewegungen übernimmt, ohne sie auch nur für eine Sekunde zu überzeichnen. Und wer in dem Film sieht, wie der Song „Hit the Road Jack“ entstanden ist, dem könnten die Tränen kommen.

Rüdiger Suchsland

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