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Wirtschaft: 22 000 Ingenieure gesucht

Vereinigung beklagt verheerenden Fachkräftemangel / Auch in Berlin fehlt Personal

Berlin - Bei Berliner Glas in Britz ist momentan Not am Mann. Der Hersteller optischer Fertigungstechnologien sucht derzeit händeringend nach Ingenieuren mit speziellen Optikkenntnissen. „Die Suche ist im vergangenen Jahr aber so schwierig geworden, dass wir diese Kenntnisse oftmals gar nicht mehr einfordern“, sagt Personalleiter Gregor Grundhöfer.

Nicht nur bei Berliner Glas wird gesucht. Aktuell können bundesweit rund 22 000 Ingenieurstellen nicht besetzt werden, klagt der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). „Vor allem im Maschinenbau und im Elektro- und Bauingenieurwesen ist der größte Mangel zu verzeichnen“, sagte VDI-Präsident Eike Lehmann am Donnerstag in Berlin.

Den massivsten Fachkräftemangel hat Nordrhein-Westfalen mit derzeit 4200 offenen Stellen. Es folgen Bayern mit 3900 und Baden-Württemberg mit 3800 Jobangeboten für Ingenieure. In Berlin würden mit momentan 464 offenen Stellen vergleichsweise wenig Leute gesucht. Im Vergleich zum Vorjahr sei das aber ein Anstieg um rund 60 Prozent.

Die Ursache für den gestiegenen Bedarf an Ingenieuren sieht Lehmann im konjunkturellen Aufschwung. Beunruhigend sei aber, dass die Zahl der Studienanfänger im Ingenieurwesen nicht anstiegen, sondern deutlich zurückgingen. „In den letzten zehn Jahren ist die Studierendenzahl von 49 000 auf 39 000 zurückgegangen“, bedauerte Lehmann. Das habe weitreichende Folgen. „Die Verfügbarkeit von technischen Ingenieuren wird die Zukunft der deutschen Industrie maßgeblich bestimmen“, betonte Lehmann. Ohne geeignete Fachkräfte würden zukunftsträchtige Branchen ins Ausland abwandern. Und auch die Volkswirtschaft trage einen Schaden. „Allein die aufgrund der entgangenen Einkommen verlorene Wertschöpfung beträgt in etwa 3,7 Milliarden Euro“, meinte der VDI–Präsident.

Der Verein schlug mehrere Punkte vor, um gegen den Fachkräftemangel vorzugehen. Zunächst müssten mehr Frauen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Denn der Frauenanteil in den Unternehmen liege derzeit bei nur etwa zehn Prozent. „Kein vergleichbares Land hat eine so geringe Ingenieurinnenquote wie wir“, sagte VDI–Direktor Willi Fuchs. Um die Zahl zu steigern, müsste der Schulunterricht attraktiver, die Studienbedingungen verbessert und vor allem familienfreundlichere Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

Auch Arbeitslose sollten stärker integriert werden, hieß es weiter. Doch habe man schon in der Vergangenheit auf diese Gruppe zurückgegriffen. „Die Ressourcen sind bald erschöpft“, sagte Fuchs. Derzeit gebe es noch etwa 30 000 Ingenieure ohne Arbeit. Davon stünden noch etwa zwei Drittel dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, der Rest sei oftmals im Vorruhestand oder nicht bereit umzuziehen.

Als weitere Möglichkeit, gegen den Mangel anzugehen, nannte Fuchs verbesserte Bedingungen der Zuwanderung. Das Zuwanderungsgesetz sehe momentan vor, dass Einwanderer ein Jahreseinkommen von mindestens 84 000 Euro haben müssten. Im Vergleich lägen die Durchschnittsgehälter deutscher Ingenieure aber bei nur 65 000 Euro. „Spezialisten, die aus der Universität kommen, müssen die Chance erhalten, zu marktüblichen Gehältern einreisen zu können“, sagte Fuchs.

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