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Wirtschaft: Abgeordnete fordern Aufklärung von Gerster

Chef der Bundesanstalt für Arbeit soll dem Parlament erklären, warum er so viel Geld für Werbung ausgeben will

Berlin (ce). Die umstrittenen Beraterhonorare der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA) werden an diesem Dienstag den zuständigen Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Arbeit beschäftigen. Er sei „einigermaßen fassungslos“ über das Ausgabenverhalten von BAChef Florian Gerster, sagte Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz am Montag. Gerster selbst muss am Freitag persönlich vor dem Ausschuss erscheinen und den Millionenbetrag rechtfertigen. Am Montag wies der BA-Vorstand in einer Erklärung die Vorwürfe als „den Versuch, seine erfolgreiche Reformarbeit zu diskreditieren und zu blockieren“, zurück.

Während SPD-Generalsekretär Olaf Scholz den Auftrag am Montag nicht kommentieren wollte, ließ Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer Kritik anklingen. „Ich bin nicht sicher, dass die Probleme der Bundesanstalt im Wesentlichen durch Beraterverträge und Öffentlichkeitsarbeit bewältigt werden können“, sagte er. Die beste Öffentlichkeitsarbeit bestehe in einer transparenten Umsetzung der Reformschritte. „Vielleicht sollte sich Herr Gerster darauf etwas mehr konzentrieren.“

Die BA hat einen Auftrag für Medienberatung im Umfang von 1,3 Millionen Euro ohne Ausschreibung vergeben. An die Firma WMP Eurocom fließen nach BA-Angaben in diesem Jahr 500 000 Euro Honorar, im kommenden Jahr weitere 820 000 Euro. Insgesamt soll der Etat für Öffentlichkeitsarbeit, Publikationen, Werbung und Marketing 2004 mit 42 Millionen Euro fast doppelt so groß ausfallen wie in diesem Jahr. Davon sind 25 Millionen Euro für Marketing-Aktivitäten vorgesehen. Diese Summe hatte der Verwaltungsrat in seiner Haushaltssitzung am 14. November jedoch zunächst einmal gesperrt. Das vorgelegte Konzept sei nicht schlüssig, monierte Ursula Engelen-Kefer, Vorsitzende des Verwaltungsrates und Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds.

Verantwortlich für das Marketingkonzept ist der ehemalige Bertelsmann-Manager Bernd Schiphorst, der für die Medienagentur WMP Eurocom tätig ist. Er solle mit einem „integrierten Kommunikationskonzept“ dafür sorgen, „die Kunden der BA über die Arbeitsmarktinstrumente zu informieren und neue Dienstleistungen der BA zielgruppen- und termingerecht bekannt zu machen“, hieß es am Montag in einer BA-Mitteilung. Die WMP ist keine durchschnittliche Werbeagentur, sondern konzentriert sich auf das Netzwerken im Hintergrund. Im Vorstand sitzen gut verdrahtete Menschen wie der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje, der ehemalige stellvertretende „Bild“-Chef Hans-Erich Bilges und Ex-Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP). Zu den Aufträgen von WMP gehörte es beispielsweise, den bis dahin eher unbekannten Chef des Energiekonzerns Vattenfall, Lars Joseffson, als Gast in die Talksendung „Sabine Christiansen“ zu vermitteln.

Pikant ist, dass die BA den Vertrag, der bis Ende 2004 befristet ist, im Eilverfahren ohne ein ordentliches Ausschreibungsverfahren vergeben hat. In der Regel müsse jeder öffentliche Auftrag über 130 000 Euro europaweit ausgeschrieben werden, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Es könne aber auch Ausnahmen von diesem Grundsatz geben. Den konkreten Fall der BA könne sie jedoch nicht beurteilen. „Wir haben keine Anhaltspunkte, Herrn Gerster im Moment in irgendeiner Weise zu kritisieren“, sagte die Sprecherin weiter.

Natürlich müsse die BA an ihrer Kommunikation arbeiten, sagte Isolde Kunkel-Weber, Vorstandsmitglied der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, dem Tagesspiegel. Egal, was schief laufe, immer sei die Bundesanstalt schuld. Dagegen anzuarbeiten, sei in Ordnung. Aber die Größenordnung des Auftrages habe sie „erschrocken“ gemacht, die Summe komme ihr „ziemlich hoch“ vor. „Die BA muss sicherlich in vielen Fällen auf externe Hilfe zurückgreifen. Das geht aber auch ohne diese Anrüchigkeit“, sagte Kunkel-Weber, die Mitglied der Hartz-Kommission zur BA-Reform war. Ein weiterer Verlust an Glaubwürdigkeit sei das Letzte, was die Arbeitsverwaltung gebrauchen könne. Kunkel-Weber kritisierte, dass zeitgleich die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik für 2004 stark gekürzt würden.

Selbst wenn noch so viele Medienberater für die BA tätig wären, würde das der Behörde nicht helfen, fürchtet der FDP-Arbeitsmarktpolitiker Dirk Niebel. Die Arbeitsverwaltung sei viel zu verkrustet. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe bei der Berufung Gersters im Frühjahr 2002 gesagt, er würde seinen besten Mann auf die Baustelle schicken. „Den Gerster haben sie auf der Baustelle gleich einbetoniert“, urteilt Niebel.

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