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Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Der Maschinenbau verzeichnete im Mai ein Auftragsplus von 61 Prozent gegenüber dem schwachen Vorjahresmonat. Foto: dpa

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Wirtschaft: Abschied von der Krise

Die weltweite Bilanzsaison für das zweite Quartal wird heute eröffnet – die Aussichten sind glänzend

New York / Düsseldorf - Die Konjunktur brummt und doch zweifelten Experten zuletzt an den Wachstumsaussichten der Unternehmen. Auslöser war ausgerechnet das Boomland China, wo die Firmen mit einem Mal weniger Aufträge signalisieren. Pessimisten leiten daraus einen sogenannten Double Dip ab, also das erneute Abtauchen der Wirtschaft in die Rezession, nachdem sie sich gerade von der weltweiten Krise erholt hatte. Doch blickt man weltweit auf die Realwirtschaft und damit auf die Unternehmenszahlen in Amerika, Europa und Asien, dann gibt es für solche Schreckensszenarien bislang keinerlei Anzeichen.

Im Gegenteil: Wenn in der Nacht zum Dienstag der Aluminiumhersteller Alcoa in den USA traditionell die weltweite Bilanzsaison für das zweite Quartal eröffnet, wird der von Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld geführte Konzern vermutlich eine zweistellige Gewinnsteigerung verkünden. „Von den Unternehmensgewinnen her betrachtet gibt es jedenfalls keinen Hinweis auf ein Double Dip“, sagt John Butters von Thomson Reuters. „Die Unternehmen sind sehr optimistisch.“

Für beinahe alle Sektoren der amerikanischen Wirtschaft erwarten Analysten deutlich höhere Gewinne im gerade abgelaufenen Quartal. Ganz vorn liegen die Bereiche Rohstoffindustrie mit einem Gewinnplus von mehr als 90 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal, Energie (plus 70 Prozent) und Technologie (plus 56 Prozent). Selbst die während der Rezession so angeschlagene Konsumbranche entwickelt sich gut. Der Trend hat auch Europa und Asien erfasst. Sogar in Japan, für viele Jahre von wirtschaftlicher Stagnation geplagt, beurteilen die Unternehmen ihre wirtschaftliche Lage so gut wie lange nicht mehr. Analysten rechnen damit, dass Japans Unternehmen ihre Nettogewinne 2010 im Durchschnitt um mehr als 150 Prozent steigern werden, nachdem die Erträge im vergangenen Jahr regelrecht eingebrochen waren.

Noch im vergangenen Jahr erholte sich vor allem die Finanzbranche dank kräftiger Mithilfe des Steuerzahlers. 2010, so zeichnet sich nun ab, wird das Jahr der Realwirtschaft. Davon profitieren besonders die deutschen Konzerne. Zum einen weil auch hierzulande die Krise große Schäden verursacht hat und sich die Firmen 2010 mit sehr niedrigen Vorjahreserträgen vergleichen. Zum anderen hilft den vielen exportlastigen deutschen Unternehmen der immer mehr an Fahrt gewinnende Außenhandel. Das globale Handelsvolumen dürfte schon in diesem Jahr wieder die alten Höchststände von 2008 erreichen. Die Welthandelsorganisation WTO hat ihre Prognose für das Wachstum des internationalen Handels in diesem Jahr von zwei auf knapp zehn Prozent erhöht. Auffällig ist dabei, dass Unternehmen und Analysten Monat für Monat optimistischer in die Zukunft blicken. Innerhalb von nur drei Monaten stiegen die Gewinnerwartungen für die 30 Dax-Konzerne in diesem Jahr um neun Prozent.

All jene Branchen, die besonders vom Lauf der Weltkonjunktur abhängig sind, glänzen mit hohen Wachstumszahlen. Außerordentlich stark boomen, wie schon im vergangenen Aufschwung, die aufstrebenden Schwellenländer. Nutznießer sind die deutschen Konzerne, weil sie unter allen großen und hoch entwickelten Industrieländern die höchsten Auslandsumsätze erwirtschaften.

So schaffte der Technologiekonzern Siemens bereits die Trendwende – schneller als vom Konzern und von Analysten erwartet. Schon heute ist absehbar, dass Siemens seine erst Ende April nach oben korrigierte Gewinnprognose übertreffen wird. Ursache dafür sind die Märkte, die schnell auf die Konjunktur reagieren, wie etwa die Lichtsparte Osram oder die Industrieautomation. Aber auch Abteilungen mit längeren Vorlaufzeiten wie etwa der Kraftwerksbau sind wieder gefragt.

Einen regelrechten Boom erlebt derzeit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, der Maschinenbau. Im Mai legten die Bestellungen um 61 Prozent gegenüber dem schwachen Vorjahresmonat zu. Das ist der höchste Zuwachs seit Beginn der Erfassung 1977. Der traditionell nicht zu Euphorie neigende Branchenverband VDMA hält seine im Herbst abgegebene Prognose einer stabilen Produktion im laufenden Jahr inzwischen für „sehr konservativ“. „Die Stärke des Wachstums ist jetzt überraschend gut“, urteilt VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann. Nachdem zunächst Asien und Lateinamerika ihre Bestellungen intensiviert hatten, zieht jetzt die Nachfrage aus Nordamerika an.

Gar euphorisch blickt die Autoindustrie in die Zukunft, trotz ausgelaufener Abwrackprämien und einstiger Befürchtungen, einen Nachfrageschock zu erleben. „2010 könnte eines der besten Jahre in der Geschichte des Automobils werden“, sagte zuletzt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Der schwache Euro verschafft zusätzlichen Rückenwind, weil er die deutschen Anbieter im Dollarraum wettbewerbsfähiger macht. Seit Jahresbeginn stiegen die Exporte um 44 Prozent. „Noch vor einem halben Jahr hat das niemand so erwartet“, sagte Matthias Wissmann vom Branchenverband VDA. HB

Bernd Kupilas, Ulf Sommer

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