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Wirtschaft: Ärger in den Arbeitsämtern

Irritationen über den Amtschef Florian Gerster nehmen zu/Personalrat: Wir brauchen mehr Mitarbeiter

Berlin. Der Personalratsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Eberhard Einsiedler, hat neue Mitarbeiter in den Arbeitsämtern für die Vermittlung von Arbeitslosen gefordert. „Wenn es sofort ein besseres Betreuungsverhältnis geben soll, bräuchten wir deutlich mehr Personal“, sagte Einsiedler dem Tagesspiegel. „Viele Kollegen arbeiten schon jetzt am Rande ihrer Kapazitäten." Deshalb könne man keine Beschäftigten mehr umsetzen. Von den gut 90 000 Mitarbeitern sind derzeit rund 13 000 in der direkten Vermittlung tätig. Auf einen Vermittler kommen im Schnitt rund 800 Arbeitslose. Zu viele, urteilte die Hartz-Kommission zur Reform der Arbeitsverwaltung. Das Expertengremium forderte in seinem Abschlussbericht, ein Betreuer solle sich künftig nur noch um 60 bis maximal 200 Arbeitslose kümmern. „Dann brauchen wir eine Anschubfinanzierung“, sagt Einsiedler.

In Grundzügen hat die Hartz-Kommission die Neuorganisation der Arbeitsverwaltung skizziert: In Jobcentern sollen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger aus einer Hand betreut werden. So genannte Personal Service Agenturen (PSA) sollen Arbeitslose fortbilden und befristet an Unternehmen verleihen. Dafür sollen sie auch mit privaten Vermittlern kooperieren. Die Vermittlung soll sich künftig mehr an den Bedürfnissen der Betriebe orientieren – jedes Unternehmen soll dafür feste Ansprechpartner in seinem Arbeitsamt haben. Der Beamtenstatus in der Behörde soll allmählich auslaufen. Zum angestrebten Betreuungsschlüssel sagt Personalratschef Einsiedler, erst wenn die Zahl der Arbeitslosen nur halb so groß wäre wie heute, hätte die Behörde die gewünschte Relation von Vermittlern zu Arbeitslosen. Allerdings brächten auch 5000 zusätzliche Vermittler nichts, wenn die Situation am Arbeitsmarkt sich nicht bessere. Die Synergien, die sich aus Vereinfachungen etwa bei der Leistungsberechnung ergeben, greifen nach Einschätzungen Einsiedlers frühestens nach einem guten Jahr. Nach den Vorstellungen der Hartz-Kommission soll zum Beispiel eine elektronische Chipkarte, auf der Daten gespeichert werden, die Berechnung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe vereinfachen. In ein bis anderthalb Jahren ließen sich der Umbau der Behörde zwar „auf die Schiene bringen“, sagte Einsiedler. Insgesamt werde die Neuorganisation aber vier bis fünf Jahre beanspruchen.

Auch wenn die Zahl der Arbeitslosen deutlich sinke, dürfe das Personal der Bundesanstalt nicht um die Hälfte reduziert werden, wie der Vorstandsvorsitzende Florian Gerster kürzlich erneut angekündigt hatte. „Davon halte ich nichts“, sagte Einsiedler. Auch in Zeiten, als die Bundesanstalt sich um nur zwei Millionen Arbeitslose kümmern musste, habe sie nicht viel weniger Personal gehabt als heute. Bereits bei seinem Amtsantritt hatte Gerster für große Verärgerung in der Belegschaft gesorgt mit seinen Ankündigungen, Personal abbauen und den Beamtenstatus abschaffen zu wollen.

„Den Vertrauensverlust müsste er mit einer Geste wieder aufholen“, sagte Isolde Kunkel-Weber, Vorstandsmitglied der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, dem Tagesspiegel. „Bei den Beschäftigten herrscht Verärgerung und Verunsicherung“, hat die Gewerkschafterin beobachtet. Auch Personalratschef Einsiedler hat bei vielen Mitarbeitern „Skepsis und Ängste“ festgestellt. Der Vorstand müsse schnell und deutlich sagen, wo der Weg hin gehe. Bislang fehle aber noch ein klares Führungskonzept, kritisiert auch Kunkel-Weber. Im Intranet der Behörde präsentiert Gerster seit Anfang der Woche den 90 000 Beschäftigten in einem Video seine Vorstellungen vom Umbau in eine „moderne Dienstleistungsbehörde“. Intern sorgt der Auftritt für neue Irritationen. So kündigt Gerster durch die Hintertür an, möglicherweise bis zu fünf der zehn Landesarbeitsämter schließen zu wollen. Auch fehlen klare Worte, welche Bereiche der Behörde möglicherweise privatisiert werden sollen.

Über Gersters Auftritt vor der Presse, in dem er sein Reformkonzept vorstellte, waren viele Beschäftigte „richtig sauer“, berichtet ein Arbeitsamtsmitarbeiter. Da hatte der BA-Chef an seine Mitarbeiter appelliert, „die Phase der Irritationen hinter uns zu lassen“. Verdi-Vertreterin Kunkel-Weber hat das Gegenteil beobachtet: „Die Verwirrung steigt.“ In der kommenden Woche will Gerster den Arbeitsamtsdirektoren und Präsidenten der Landesarbeitsämter seine Vision vermitteln – möglicherweise eine Reaktion auf die sich breit machende Verärgerung bei den Führungskräften, die ebenso wie die Mitarbeiter eine klare Ansage vermissen.

Streit zwischen dem BA-Vorstand und den Personalvertretern deutet sich schon jetzt über die Ansiedlung der Personal Service Agenturen an. Während die Gewerkschaften die Zuständigkeit lieber bei den Arbeitsämtern sähen und dafür eine Holding in der BA einrichten wollen, ließ Vorstandsmitglied Heinrich Alt schon seine Präferenz für eine Auslagerung an private Vermittler erkennen. „Warum sollten das nur Dritte sein?“, fragt Einsiedler und fordert, die BA-Beschäftigten sollten nicht zu „Zuarbeitern für die Privaten degradiert“ werden. Cordula Eubel

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