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Wirtschaft: Ärgern müssen sich nur schlechte Verlierer

Der Spielewinter 2002 ist eröffnet – Trickser und Strategen, Hoch- und Tiefstapler kommen auf ihre Kosten

Eine hohe Spielkultur sagt man den Deutschen gemeinhin nicht nach. Auf dem Spielfeld bewegten sie sich unbeholfen, ihre Spielzüge seien leicht vorauszusehen – so hört man oft. Doch die Kritiker irren: Deutschland ist die Heimstatt des Homo Ludens, des spielenden Menschen, und unbestrittener Weltmeister – bei den Gesellschaftsspielen. „Spielekäufer haben hier die Auswahl zwischen 2000 Spielen, mehr als in jedem anderen Land“, sagt Ernst Pohle, Sprecher der deutschen Spieleverlage. 25000 Figuren- Dribbler und Brett-Strategen trafen sich auf der gerade zu Ende gegangenen „Spielwiesn“ in München, weit mehr als 100000 versammeln sich jedes Jahr in der Essener Grugahalle um die Bretter, die ihnen die Welt bedeuten. In allen Großstädten treffen sich Spieleklubs zum Schachern und Stapeln. Die Spieleautoren sind sogar in einer eigenen Zunft organisiert.

Die Breitensportler unter den Brettspielern stürmen vor Weihnachten die Geschäfte, auf der Suche nach Nachschub und Geschenkideen. Sie finden dort nach Meinung der Stiftung Warentest einen „guten Jahrgang“ vor: Die Spiele des Jahres 2002 ließen sich leicht spielen, für jeden Spielertyp und jede Altersklasse sei etwas dabei, heißt es im aktuellen Test-Heft.

„Ein eindeutiger Trend lässt sich aber nicht feststellen“, sagt Dorothee Lennert von der Stiftung Warentest, „das Angebot ist bunt gemischt“. Geschicklichkeitskünstler kämen bei dem Stapelspiel Villa Paletti (28 Euro) auf ihre Kosten, Taktiker und Tüftler beim Strategiespiel Puerto Rico (27,50 Euro). Die Tester loben auch liebevoll gestaltete Kinderspiele wie Maskenball der Käfer (30Euro): Magnetisch aufgeladene Marienkäfer ziehen sich auf dem Spielbrett an oder stoßen sich ab. „Aber auch die Klassiker haben ihren Reiz nicht verloren“, sagt Lennert. Mit Hase und Igel (18Euro) und Die guten und die bösen Geister (18 Euro) wurden zwei Oldtimer neu aufpoliert.

Auch die Branchenführer setzen auf Altbewährtes: Hasbro hat mit Therapy , Trivial Pursuit und Tabu bekannte Spiele im Programm, Ravensburger hält mit Scotland Yard , das 3,5 Millionen Mal verkauft wurde, Labyrinth und Memory dagegen. Unbestrittener Spitzenreiter sind aber die Siedler von Catan aus dem Kosmos-Verlag.

Kleinere Spiele-Verlage setzen auf die anspruchsvolle Gruppe der Vielspieler. Mit ausgefeilten Ideen hat zum Beispiel der Münchner Verlag Hans im Glück schon vier Mal das „Spiel des Jahres“, den Oscar unter den Spielepreisen, eingeheimst, zuletzt im Jahr 2001 mit Carcassonne .

Der Renner im Weihnachtsgeschäft, so hofft die Branche, sollen Lizenzspiele werden: Diese nutzen den großen Namen von Filmen und Fernsehserien, sind aber meist weniger originell als echte Autorenspiele. Im Jahr 2001 waren Harry Potter und Wer wird Millionär? besonders gefragt bei den Kunden, 2002 soll der Herr der Ringe Umsatz bringen. Kurz vor dem Kinostart von „Die zwei Türme“ am 18. Dezember bringt Ravensburger für Mittelerde-Adepten ein Kartenspiel (14 Euro) und drei Puzzles (8,50 bis 17 Euro) heraus. „Siedler“-Autor Klaus Teuber hat für Kosmos die Evolutions-Serie Abenteuer Menschheit der Zeitschrift „Stern“ in ein Brettspiel umgesetzt (30 Euro).

Gefragt sind in diesem Jahr auch Kinderspiele, etwa Ravensburgers Lotti Karotti . „Der relative Erfolg der Kinderspiele ist sicherlich eine Folge der Pisa-Studie“, sagt Pohle, Sprecher der Spieleverlage. „Die Eltern beschäftigen sich wieder aktiver mit ihren Kindern, stellen sie nicht einfach vor dem Fernseher ab.“ Brettspiele trainierten nicht nur das Denkvermögen, sondern auch das soziale Verhalten. Auch andere Entwicklungen in der realen Welt scheinen sich auf das Spielverhalten auszuwirken. So sieht Ravensburger-Sprecher Heinrich Hüntelmann das Spiel als „ausgleichende Beschäftigung zu Hause, wenn sich draußen in der Gesellschaft die Stimmung verschlechtert“. Und offensichtlich kämpfen Wohnzimmerstrategen gerne zu Hause gegen die „Achse der Bösen“: Hasbro vermeldet steigende Verkaufszahlen beim Schlachten-Klassiker Risiko .

Auch für die Geschäftsleute unter den Welteroberern gibt es eine Neuigkeit: Unter www.mymonopoly.de können sie sich eine individualisierte Version der Kapitalisten-Klassikers Monopoly (154,75 Euro) zusammenstellen. Die eigene Adresse wird zum teuersten Grundstück auf dem Spielplan, die U-Bahn-Station vor der Haustür ersetzt den Westbahnhof. Das individualisierte Monopoly werde gerne bei Geburtstagen und auf Betriebsfesten verschenkt, sagt Jörg Mutz von Hasbro. Wem selbst das individuelle Monopoly zu sehr Konfektionsware ist, sollte sich an den Spiele-Designer Thomas Fackler aus Aystetten bei Augsburg wenden. Er baut Spiele, die sich an literarischen Stoffen orientieren (siehe Artikel unten).

„Schöne Kartenspiele gibt es schon ab sieben Euro“, schreibt dagegen Warentest. Und auch die Spielehersteller argumentieren mit dem schmalen Portemonnaie: „Für andere Unterhaltungsmedien, etwa für Computerspiele, muss ich wesentlich mehr investieren“, sagt Hüntelmann von Ravensburger. Das Gesellschaftsspiel könnte vom Zweit- zum Erstgeschenk aufsteigen – zum weiteren Wohle der Spielkultur.

Weitere Informationen:

www.spielbox.de

www.brettspielwelt.de

www.spiel-des-jahres.com

www.deutscher-spielepreis.de

www.mymonopoly.de

www.zeitstein.de

www.spieleautorenseite.de

Jan Friedmann

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