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Wirtschaft: „Aktienbesitz ist keine Sünde“

Bischof Marx, jeden Tag erreichen uns Hiobsbotschaften von der Börse und aus den Unternehmen. Ist die Moral unter die Räder des Kapitalismus gekommen?

Bischof Marx, jeden Tag erreichen uns Hiobsbotschaften von der Börse und aus den Unternehmen. Ist die Moral unter die Räder des Kapitalismus gekommen?

Es wird vergessen, dass der Kapitalismus eine Menge Moral voraussetzt. Es wird immer so getan, als sei die Marktwirtschaft ein sich selbst organisierendes System, das sich selber zum Guten führt. Wenn die Gier zur wesentlichen Voraussetzung des Marktes erklärt wird, dann hat man wohl etwas vergessen.

Rächt sich jetzt, dass alle zu gierig waren?

Es rächt sich, dass man den Menschen zu positiv gesehen hat. Wie die Kirche zu Recht lehrt, sind die Menschen von der Erbsünde angekränkelt. Und weil das Böse im Menschen ist, brauchen wir Regeln, Gesetze und Rahmenbedingungen, die diese Gier eindämmen.

Reicht das aus?

Offenbar nicht. Wenn alle meinen, dass schon erlaubt ist, was gesetzlich nicht verboten ist, dann ist das eine Minimal-Moral, mit der wir nicht auskommen. Manche Rahmenbedingungen verführen ja gerade dazu, missachtet zu werden. Etwa bei der Manipulation von Bilanzen. Da darf man sich dann nicht wundern.

Gibt es zu wenig moralische Unternehmer?

Es gibt zu wenige, die nach dem selbstverständlichen moralischen Grundsatz handeln: Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem andern zu. Wenn das missachtet wird, fährt das gesellschaftliche, politische und ökonomische Leben gegen die Wand. Im Übrigen zeigt sich ja, dass eine ungehemmte Gier langfristig wirtschaftlich unvernünftig ist. Das Schlimme und Erstaunliche ist, dass viele Menschen immer mehr haben wollen. 50, 60 oder 100 Millionen reichen nicht mehr.

Fehlt es der Wirtschaft an Vorbildern?

Das mag sein. Die klassische Kaufmannsmoral scheint zu verblassen. Als Vorbild gilt, wer das meiste Geld aufhäuft und den Fiskus am cleversten austrickst. Theologisch gesprochen: Wenn niemand mehr daran glaubt, dass er einmal in seinem Tode zur Rechenschaft gezogen wird, dann wird die moralische Verantwortung ausgeblendet.

Ist das eine Chance für die Kirche?

Vielleicht. Aber wir wollen nicht auf dem Elend anderer geistliche Gewinne machen. Wir können jedoch daran erinnern, dass es vernünftig ist, moralisch zu handeln.

Auch der Vatikan musste jüngst einräumen, dass er an der Börse Geld verloren hat.

Das kann jedem so gehen in dieser komplexen Börsenwelt. Ich empfehle dem Vatikan nur, seine Anlagen so zu tätigen, dass wir verantwortlich mit unserem Geld umgehen.

Ist Spekulation keine Sünde?

Wilde Spekulation ist Sünde, der Besitz von Aktien ist es per se nicht. Ich habe schon vor drei Jahren gesagt, dass das Rad an der Börse zu schnell gedreht wird und die Banken wie Hasardeure handeln, wenn sie Firmen an die Börse bringen, die dort nicht hingehören.

Erwarten Sie ein Comeback des Sozialen in der Markwirtschaft?

Sicher bin ich mir nicht. Aber ich kämpfe dafür.

Sie sind seit zwölf Jahren Mitglied bei Borussia Dortmund. Wie stehen Ihre Aktien?

Ich habe nur die eine, die die Vereinsmitglieder beim Börsengang geschenkt bekommen haben. Die liegt irgendwo, ich weiß gar nicht wo.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer.

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